Der Funke des Chronos
Versiegelung nun bitte öffnen würden.«
Lewald schloss bedrückt die Augen, drehte den Spazierstock um hundertachtzig Grad und trat erneut an die Graböffnung. Ein mechanisches Schnappen war zu hören, und Tobias beobachtete, wie Lewald nun ein Drehrad betätigte und wie langsam eine schwere Metalltür zum Vorschein kam.
»Treten Sie beiseite!« herrschte der Arzt den alten Lewald an. Der trat zurück – und ihm war anzusehen, dass er überlegte, dem Arzt den Stock einfach über den Kopf zu ziehen.
»Denken Sie nicht einmal daran«, höhnte der Franzose. Dann ergriff er aufgeregt eine Laterne und bückte sich, um nach etwas in der Öffnung zu greifen. »Isch verstehe nischt, warum man so etwas Großes für einen solch kleinen Gegenstand baut.«
Gleich darauf erhob er sich wieder und betrachtete mit glänzenden Augen einen Samtbeutel, den er hastig aufknüpfte. Zum Vorschein kam ein daumengroßer Stein, der das wenige Licht im Gruftgewölbe in schillernden Farben brach. Staunend blickte sich Tobias zu dem faszinierenden Lichtspiel um, das über die Decke, die Säulen und die Wände huschte.
»Wie lange habe isch danach gesucht?« flüsterte der Franzose ergriffen und schob das Kleinod in den Samtbeutel zurück.
»Nehmen Sie den verfluchten Smaragd«, zürnte Lewald, »die Zeitmaschine aber werden Sie nicht bekommen.«
»Ach, meinen Sie«, erwiderte der Franzose lakonisch und steckte den Stein ein.
»Mit Ihrem Einbruch in mein Landhaus haben Sie einen Fehler begangen«, erklärte Lewald zornig. »Ich wollte es die ganze Zeit über nicht glauben, aber Lindley ahnte bereits, dass Sie dahinterstecken. Im Gegensatz zu mir hat er Ihnen nie über den Weg getraut. Er war es, der mich dazu überredete, den Stein wieder in sein altes Versteck zu schaffen.«
»Ach, diese Engländer«, erwiderte de Lagarde hämisch. »Können die alten Rivalitäten einfach nischt vergessen. Aber er wird misch ebenso wenig von meine Ziel abbringen wie Sie. Ich bekomme immer, was isch will.«
»Sollten Sie nur einen Fuß in das Schloss setzen«, erklärte Lewald bestimmt, »werden seine Leute Sie festsetzen. Er wird die Maschine eher zerstören, als sie Ihnen überlassen.«
»Ach, ist dem so?« De Lagarde musterte Lewald mit eiskaltem Blick. »In diesem Fall werden Sie mir wohl noch einmal helfen müssen. Natürlisch nur Ihrer Tochter zuliebe. Hector!« Mit einer herrischen Geste wies er auf Lewalds Tochter. »Leg Mademoiselle in den Tresor und verriegle die Tür.«
Caroline schrie entsetzt auf, und Tobias bäumte sich in seinen Fesseln auf.
»Sie … das können Sie nicht tun!« schrie er.
Auch Lewald wankte keuchend einen Schritt zurück. »Da drinnen hat sie höchstens für zwanzig Minuten Luft. Ich … ich werde Ihnen nicht helfen. Niemals!«
»Das sollten Sie aber«, erklärte der Franzose und lachte gefährlich leise. »Das sollten Sie sogar unbedingt. Immerhin geht es hier um Ihr eigen Fleisch und Blut. Sehen Sie, wir sprechen doch von einer Zeitmaschine. Dort hinten« – der Arzt deutete auf Tobias – »sitzt der Beweis, dass sie funktioniert. Wenn wir erfolgreisch sind, rette isch Ihre Tochter. Dann reise isch durch die Zeit zurück und« – er gab einen schnalzenden Laut von sich – »befreie Ihre Tochter, bevor sie jammervoll erstickt. Helfen Sie mir jetzt?«
Ungläubig starrte ihn Lewald an.
»Das ist nicht Ihr Ernst!« stammelte er.
»Aber ja«, erwiderte der Franzose. »Isch meine es todernst! Haben Sie einfach ein bisschen mehr Vertrauen in Ihre eigene Erfindung. Hector.«
Der Kumpan des Franzosen hob Caroline mühelos hoch, obwohl sie sich verzweifelt in seinem Griff wand und nach ihm zu beißen versuchte. Doch der Kerl schlug ihr kurzerhand ins Genick, und das Mädchen erschlaffte.
»Ich werde Sie …«, presste Lewald mit tränenerstickter Stimme hervor und brach dann ab.
»Sie werden mir jetzt helfen, Monsieur Lewald«, erwiderte de Lagarde ungerührt. »Sehen Sie, Ihre Tochter ist bewusstlos. Sie atmet nun sehr flach. Als Vater sollten Sie sisch darüber freuen, denn die Luft im Tresor wird jetzt sogar etwas länger reichen. Nur für die Fall, dass isch misch verspäte. Verspäte, verstehen Sie?« Der Franzose lachte schallend.
Tobias sah starr vor Entsetzen mit an, wie Caroline in den metallenen Sarg gezwängt wurde, wie sich die Klappe schloss und die Riegel zuschnappten.
»Kommen Sie jetzt.« De Lagarde deutete mit der Waffe zum Eingang des Gruftgewölbes. »Mit etwas Glück erwischen wir Ihre
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