Der Funke des Chronos
Räder an. »Sie wollen die Verfolgung tatsächlich mit diesem Ding aufnehmen?«
»Ja!« rief Tobias zurück und sah einer Kuh nach, die vor ihnen Reißaus nahm. »Ich sehe keinen anderen Weg, der mehr Erfolg verspricht.«
Die Männer auf der Weide hatten die Neuankömmlinge inzwischen bemerkt, und Tobias erkannte Michael Groth, den Gehilfen Lewalds, der ihnen neugierig entgegentrat. Er trug einen Arm in einer Schlaufe. Offenbar hatte sich der Mann vor kurzem irgendwo verletzt.
»Wahren Sie bitte Abstand!« verlangte er mit näselnder Stimme. »Wir bereiten gerade den Start eines Ballons vor.«
Borchert hielt den Karren an und betätigte die Bremse. »Wi sünn jo nich blind«, rief er.
Dann sprangen die drei Männer ab.
»Wir brauchen den Ballon! Jetzt!« rief Tobias. »Herr Lewald wurde entführt. Wenn wir seinem Entführer nicht sofort nachsetzen, werden er und seine Tochter sterben.«
Einen Augenblick lang zuckte Tobias die Vorstellung durch den Kopf, dass Caroline genau genommen bereits vor einer Dreiviertelstunde elendig erstickt sein musste. Er schüttelte diesen Gedanken jedoch rasch ab. Dachte er weiter über all das nach, würde er wahnsinnig werden.
»Sie wollen was?« Groth riss ungläubig die Augen auf. »Glauben Sie, ich nehme ausgerechnet Ihnen diese hanebüchene Geschichte ab? Was soll das? Wissen Sie überhaupt, wie viel dieser Ballon wert ist?«
»Hier geht es um Leben und Tod!« raunzte Heine den Livrierten an.
»Und wer sind Sie, dass Sie glauben, so mit mir sprechen zu können?« antwortete Groth blasiert.
»Das ist doch jetzt völlig egal!« schrie Tobias. »Lewald und seine Tochter sterben, wenn Sie nicht …«
Bordiert schob sich rüde an seinen beiden Begleitern vorbei und ergriff das Wort. »De Ballon is hiermit konfiszeert.«
»Wie bitte?« Ungläubig riss Groth die Augen auf. »Ich lasse mir doch nicht von irgend so einem drittklassigen Konstabler sagen …«
»Un wenn Sie noh een wieteres Wort verleern«, unterbrach ihn der dicke Polizeiofficiant wütend, »dann sett ik Sie vun wegen Beamtenbeleidigung fest. Verstunnen?«
Groths Mund klappte wie ein Fischmaul auf und zu. Borchert drehte sich augenzwinkernd zu Heine und Tobias um und flüsterte: »Sie glauben nich, wie lüng ik dat schon mol seggen wullt.«
»Kommen Sie, zeigen Sie uns, wie dieses verdammte Luftgefährt bedient wird!« fauchte Heine und fügte hinzu: »Bitte!«
Zornig wandte sich Lewalds Gehilfe um und drängte sich an seinen Helfern vorbei. Diese drängten sich neugierig um die Streitenden und verfolgten die Wortgefechte mit verwunderten Blicken.
Tobias, Heine und der Konstabler folgten Groth mit großen Schritten zum Ballon, während der Hausverwalter wild mit seinem unverletzten Arm gestikulierte. »Gut, wie Sie wollen. Es handelt sich hierbei um das modernste Luftschiff auf dem ganzen Kontinent. Es wird mit flüchtigem Wasserstoff betrieben, den wir da hinten mit einem neuen Verfahren entwickeln.« Er deutete zu der seltsamen Apparatur auf der Weide hinüber. »Statt Schwefelsäure und Eisenspänen verwenden wir Zinkstaub und Kalkhydrat. Ich hoffe, Sie wissen, wie teuer das alles ist.«
»Ist mir gleich!« rief Tobias. »Wenn wir uns nicht beeilen, wird sich Herr Lewald seines Besitzes ohnehin nicht mehr lange erfreuen.«
Sie standen nun unmittelbar vor dem großen Korb, an dem nicht etwa Sandsäcke, sondern prall gefüllte Schläuche hingen. Aus einigen von ihnen tropfte Wasser. In der Mitte der Gondel aber befand sich eine kleine Dampfmaschine, über der die bizarre Konstruktion mit der großen Luftschraube angebracht war. Sie ragte an etwas Kranartigem gute anderthalb Meter über den Korbrand hinaus und konnte mit Drähten innerhalb der Gondel in verschiedene Richtungen ausgerichtet werden.
»Sie steigen auf«, erklärte Groth, »indem wir hier unten die Leinen kappen.« Hochmütig starrte er auf Borcherts dicken Bauch. »Mag aber sein, dass Sie zusätzlich noch einige Wasserbehälter abwerfen müssen. Sind Sie zu hoch, ziehen Sie dort an der Leine.«
Lewalds Verwalter deutete auf einen Strick, der von oben herabbaumelte. »An der Spitze des Ballons öffnet sich dann eine Klappe, und Sie lassen Wasserstoff ab. Sind Sie zu niedrig, müssen Sie hingegen weiteren Ballast abwerfen: die Wasserschläuche rund um den Korb. Wir werden natürlich auch die Trosse zur Dampfwinde kappen. Und dann wollen wir sehen, wie weit Sie kommen. Wir haben nämlich Westwind«, erklärte er mit zorniger Genugtuung und
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