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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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einmal, wohin sie gefahren sind!«
    Er legte den Kopf in den Nacken und starrte zu der großen Kirchturmuhr des Michels empor. Die Zeiger standen auf zwei Uhr zweiunddreißig nachmittags.
    »Caroline hat bestenfalls noch für fünfzehn Minuten Luft«, stammelte er. »Unmöglich, sie noch zu retten.«
    »Düsse Franzos hett wat vun een Schloss seggt«, murmelte der dicke Konstabler.
    »Und er sprach davon, dass er die Eisenbahn nehmen will«, ergänzte Heine. »Borchert, denken Sie das gleiche wie ich?«
    »Ja nu«, murmelte der Dicke niedergeschlagen. »Mi dücht, er will nach Bergedorf. Dor steiht dat einzige Schloss in de näheren Umgebung vun Hamborg. Ober de jung Mann hat recht, wi holen düsse Schuft nie ein.«
    »Augenblick!« Tobias fuhr zu den beiden herum. »Wir könnten Carolines Leben retten, wenn wir selbst im Besitz der Zeitmaschine wären. Wenn ich das richtig sehe, dauert es eine Weile, bis sich de Lagarde bei dem Chaos auf den Straßen bis zum Bahnhof durchgeschlagen hat. Gleichgültig, ob er den Zug erwischt oder nicht – vielleicht gibt es eine Möglichkeit, wie wir ebenso schnell wie er nach Bergedorf kommen. Vielleicht können wir ihm sogar zuvorkommen.«
    »Wie wollen Sie denn das anstellen?« Heine sah ihn zweifelnd an.
    Tobias ging auf die Frage gar nicht erst ein, sondern wandte sich dem Konstabler zu. »Können Sie einen Pferdewagen oder eine Droschke konfiszieren?«
    »Ja nu«, erklärte der. »Ik bün nur Polizeiofficiant dritter Klasse. Ik weet gor nich, ob ik dat darf. Aber mien Bruder is Wagner. Un de hett ’nen Freund, de Mietdroschken verleiht. Gliecks um de Ecke. Zwischen Millerntor un de Michel. De hett bestimmt ’nen Wogen.«
    »Millerntor?« fragte Heine entsetzt. »Das liegt verdammt noch mal im Westen. Wir müssen aber nach Osten.«
    »Sie verstehen nicht«, unterbrach ihn Tobias aufgeregt. »Ich will nicht zum Bahnhof. Wir müssen raus aus der Stadt: zum Heiligengeistfeld!«

 

Himmelwärts
     
    Hamburg 1842, 5. Mai,
    26 Minuten nach 3 Uhr am Nachmittag
     
    S chneller! Schneller!« spornte Tobias den Konstabler an, der vorn auf dem Bock des Leiterwagens saß. Der ließ die Zügel wieder auf den Rücken des Zuggauls klatschen, woraufhin das bedrängte Tier ein unwilliges Wiehern ausstieß. Der Karren, auf dem Heine, Borchert und Tobias saßen, rumpelte gefährlich schnell den mit Schlaglöchern übersäten Feldweg entlang, der – vom Millerntor beginnend – außerhalb des mächtigen Stadtwalls bis nach Norden führte. Heine warf einen skeptischen Blick zurück. Offenbar befürchtete er, dass jeden Augenblick eines der Achsenräder springen könnte.
    Linkerhand des Gefährts erstreckte sich das lang gezogene Heiligengeistfeld. Wo sich zu Tobias’ Zeit ein großer schwarzer Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg erhob, in dessen Schatten mehrmals im Jahr der ›Hamburger Dom‹ stattfand, der weithin bekannte Jahrmarkt der Hansestadt, lag zu dieser Zeit eine große grüne Wiese, auf der Kühe weideten. Ganz im Norden wurde das Areal von einer Windmühle begrenzt. Doch dieses Gebäude fesselte die Aufmerksamkeit der drei Männer nicht im geringsten.
    Ihr Blick galt dem riesigen Ballon aus rotweiß gestreiften Seidenbahnen, der nur zwanzig oder dreißig Meter von der Windmühle entfernt majestätisch zum blauen Himmel aufragte. Unter ihm hing die große Gondel, die Lewald Tobias vor wenigen Tagen in seinem physikalischen Kabinett gezeigt hatte. Ein Dutzend Männer hielt sich in der Nähe von vier schweren Pferdekarren auf und beobachtete das Luftschiff, das sich im Wind leicht zur Stadt hin neigte.
    Auf der Weide, nicht weit von den Fuhrwerken entfernt, lag eine gewaltige metallene Konstruktion, von der ein dicker Schlauch hinüber zur Gondel und von dort aus zu der seidenen Ballonhülle der Luftfähre hinaufführte. Ganz offensichtlich diente dieses Gerät zur Erzeugung des Wasserstoffs, mit dem der Ballon angetrieben wurde. Es ähnelte einem gigantischen Tausendfüßler, nur dass die Beine von baumstammdicken Blechpatronen gebildet wurden. Darin musste sich das chemische Gemisch befinden, welches das Gas erzeugte.
    Alles wirkte so, wie Tobias es sich erhofft hatte: Der Flugballon war startbereit.
    Borchert fuhr kurzerhand vom Weg ab und lenkte den Karren auf dem kürzesten Weg über die holprige Weide und auf die Luftschiffermannschaft zu. Der Wagen rumpelte noch heftiger, und Heine hielt sich mühsam fest.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben!« rief er gegen das Lärmen der

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