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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Burggrabens entlang auf die Brücke zu und hetzten von dort über einen breiten Kiesweg zum Eingangsportal des Schlosses. Ungestüm hämmerten sie mit den Fäusten gegen die Tür.
    Kurz darauf wurde eine Klappe geöffnet – ein Mann der Schlosswache starrte hindurch. »Die Stadtverwaltung hat geschlossen«, murrte er.
    »Wi mütten ins Schloss. Sofort!« wetterte der Konstabler. »De Angelegenheit is dringlich.«
    Der Mann musterte ihn kühl durch die Klappe hindurch. »Ohne Genehmigung läuft hier gar nichts, Konstabler. Da könnte ja jeder kommen. Wenn Sie jemand Verantwortliches sprechen wollen, dann gehen Sie zum Bahnhof. Die Herren Amtsmänner sind wegen des Großbrands in Hamburg alle dort.«
    »Verflucht noch mal«, zürnte Heine und steckte den Laufseiner Pistole durch die Klappe. »Wenn Sie nicht sofort öffnen, dann werden Sie erleben, wie es ist, wenn ich verärgert bin. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ein … einen Augenblick«, stammelte der Mann. Unter den wütenden Blicken des Dichters öffnete er einen Riegel, und kurz darauf drangen die drei in die hohe Eingangshalle. Mehrere Türen zweigten davon ab, und etwas weiter hinten, neben einer Ritterrüstung an der Wand, war eine Turmtreppe zu erkennen, vor der eine rote Schnur gespannt war. Tobias kam nun erst dazu, den untersetzten Wachhabenden näher ins Auge zu fassen. Er trug eine nachlässig zugeknöpfte Uniformjacke, über der ein Schultergehänge samt Säbel hing. Ängstlich starrte er auf Heines Pistole und leistete keinen Widerstand, als ihm Tobias die Klinge abnahm.
    »Sind hier drei Männer vorbeigekommen?« fragte er.
    Der Wachhabende nickte furchtsam. »Vor einer Viertelstunde. Der Präsident der Eisenbahn-Aktiengesellschaft und zwei weitere Herren.«
    »Und wo sind sie hin?« wollte Heine wissen.
    »Ah, nach oben, in den Turm. Zu den Räumlichkeiten der Gesellschaft«, stotterte der Entwaffnete.
    Borchert hatte inzwischen das rote Absperrseil abgehängt und fesselte die Arme des Mannes auf den Rücken. »Tut mi leed«, murmelte er. »Nehm Sie es mi nich persönlich, ober to erklären, warum wi hier sünn, dato fehlt uns de Zeit. Wi kunnen es uns leeder nich leisten, dat Sie uns Ärger mooken.«
    Gemeinsam mit Heine sperrte er den Bediensteten in einen Raum, der als Pförtnerloge diente. Anschließend verriegelten sie Tür und Schloßportal.
    »Ich hoffe, Sie bremsen Ihr Ungestüm gleich etwas, mein junger Freund«, sagte Heine zu Tobias. »Damit wir nicht wieder in solch eine Lage geraten wie vorhin unter dem Michel.«
    Tobias nickte betreten. Borchert trat vor die Ritterrüstung und schnappte sich die Hellebarde, die der Blechmann in den gepanzerten Händen hielt. Dann eilten sie die steile, gewundene Turmtreppe hinauf. Als sie das dritte Obergeschoß erreicht hatten, hörten sie hinter einer Tür gedämpfte Stimmen.
    Heine nickte seinen Begleitern zu und zog die Tür vorsichtig auf. Sie blickten in ein rundes, nach Tinte und Papier riechendes Turmzimmer. Darin standen Tische, mit Konstruktionsskizzen aller Art überladen, sowie hohe Regale, die unter der Last von Akten schier ächzten. Tobias entdeckte zu seinem Erstaunen eine im Abendlicht blinkende Apparatur neben einem umgekippten Stuhl, die sich bei näherem Hinsehen als mechanische Rechenmaschine entpuppte.
    »Sie verfluchter Schurke!« war eine gepresst klingende Stimme mit englischen Akzent zu hören. Der Ruf drang aus einer kleinen, halb offen stehenden Tür zur Linken. Dort waren Treppenstufen zu erkennen, die weiter nach oben führten. Heine legte einen Finger auf die Lippen und hastete darauf zu. Tobias und Borchert folgten ihm. Die schmale Stiege endete weiter oben an einer offen stehenden Falluke, über der sich in etwa sechs Metern Höhe die hölzernen Dachstreben der Turmdecke spannten. Tobias zwängte sich neben den Dichter, und gemeinsam spähten sie über die Kante der Luke.
    Vor ihnen lag eine runde, gut zehn Meter durchmessende Turmkammer mit angrenzendem Dachboden, dessen Tiefe aufgrund des dort herrschenden Zwielichts nicht genau zu bestimmen war. Es roch nach Ozon. Die Ursache dafür waren lange Reihen Leidener Flaschen, die auf dem angrenzenden Dachboden nebeneinander standen und von denen Messingdrähte zu einer trapezförmigen Metallkonstruktion führten, die unter den Dachsparren angebracht war. Der Konstrukteur dieser Einrichtung hatte die Kondensatoren offenbar zu einer gewaltigen elektrostatischen Batterie verknüpft. Im Turmraum selbst waren weitere

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