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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Räuber«, murmelte sie überrumpelt. »Schiller.«
    »Oh, wie pikant. Ich empfehle mich.«
    Kettenburg lüpfte den Zweispitz und war kurz darauf verschwunden.
    Tobias blies die Backen auf und atmete aus. »Puh, das war aber geistesgegenwärtig.«
    Seine hübsche Tischnachbarin blickte ihn bekümmert an. »Nein, das war dumm Tuch. In Wahrheit habe ich keine Ahnung, welches Stück gestern aufgeführt wurde. Ich muss unbedingt Amanda warnen, damit sie sich vor diesem Polizeiaktuar in acht nimmt.«

 

Nun danket alle Gott
     
    Hamburg 1842, 2. Mai,
    28 Minuten nach 10 Uhr am Morgen
     
    I ch kann nur hoffen, dass wir nicht irgendwo aufgehalten werden«, machte Caroline ihren Befürchtungen Luft und strich die Falten ihrer Krinoline glatt. »Mein Vater wird sehr aufgebracht sein, wenn wir uns ausgerechnet bei seinem Geburtstagsempfang verspäten. Vom Millerntor bis zu unserem Landsitz ist es gut und gern eine Stunde Fahrt. Und das auch nur, wenn wir drüben in Altona nicht von den Grenzposten aufgehalten werden. Wir müssen uns also sputen, Herr Tobias. Herr Tobias?« Das junge Fräulein Lewald hielt in ihrem sprudelnden Redefluss inne.
    Er ließ die Gardine vor dem Fenster der Droschke fallen und schaute ertappt auf. »Doch doch, ich habe schon zugehört. Wir müssen uns sputen«, wiederholte er lahm.
    Julius Lewald war bereits zum Landsitz vorausgeritten. Da es vor denn nachmittäglichen Fest noch einige dringliche Geschäftsbriefe zur Post zu bringen galt, hatte Caroline ihren Vater mit Engelszungen überreden können, sie dies für ihn tun zu lassen. Letztlich überzeugt hatte den alten Lewald, dass seine frühzeitige Anwesenheit auf dem Anwesen wichtiger als die seiner Tochter war. So war auch Tobias zu einem unerwarteten Ausflug in die Stadt gekommen. In Wahrheit suchte Caroline natürlich nach einem Grund, heimlich Amanda Odermann zu besuchen. Diese lebte eigentlich in Eppendorf, eine halbe Meile nördlich der Wallanlagen. Doch seine hübsche Begleiterin hoffte, ihre Freundin noch in deren Hamburger Stadtwohnung anzutreffen.
    Tobias’ Gedanken hingegen kreisten immer wieder um den Kanal, in den die Zeitmaschine gekippt war. Er musste die Apparatur bergen. Dringend.
    So kam es, dass er und Caroline in der Lewaldschen Kutsche saßen, die ratternd den Neuen Wall hinunterfuhr. Justus Lewald hatte darauf bestanden, dass Kristian sie fuhr, der Tobias’ Kopf die dicke Beule verpasst hatte. Ihm gegenüber war der Rothaarige bislang recht wortkarg geblieben. Er vermutete, dass dem schweigsamen Kutscher außerdem die Rolle eines Anstandswauwaus zukam.
    Wo sich zu seiner Zeit eine Einkaufsstraße mit eleganten Boutiquen und exklusiven Ladengeschäften erstreckte, befand sich in dieser Epoche lediglich eine festgestampfte Lehmstraße. Linkerhand, entlang eines Kanals, lagen vornehme Bürgervillen mit blühenden Gärten; rechts entdeckte Tobias das eine oder andere Fabrikgelände. Darunter Kattundruckereien, Färbereien und andere Fertigungsstätten, hinter denen schlanke, geziegelte Schornsteine zum blauen Himmel aufragten. Tobias konnte sogar einen knappen Blick auf die frühlingsblaue Binnenalster erhaschen, auf der einige Schwäne ihre Bahn zogen. Im Norden wurde die Wasserfläche von einem eigentümlichen Wall eingefasst, der nur wenig Ähnlichkeit mit der Lombardsbrücke aufwies. Statt dessen erhob sich dort eine mit Bäumen bepflanzte Wehrschanze, auf der eine hölzerne Windmühle thronte.
    Caroline nestelte indes ruhelos an einem blauen Schultertuch. Den Brief ihres Vaters hatte sie bereits vor einer Viertelstunde auf einem der Postämter in der Poststraße aufgegeben. Und zwar auf dem Hannoverschen. Die Wahl des Postamts war nicht ganz unwichtig, wie Tobias inzwischen erfahren hatte. Denn je nachdem, wohin man einen Brief schicken wollte, musste man sich an ein anderes Amt wenden. So lag am Gänsemarkt das Preußische Postamt, an den Großen Bleichen das Mecklenburgische und Dänische und nicht weit von dem Hannoverschen entfernt das Thurn und Taxische sowie das Schwedische Postamt. Carolines Vater führte offenbar eine umfangreiche Korrespondenz, denn für jeden dieser Postdienste stand ihm ein eigener Satz Briefmarken zur Verfügung. Tobias nahm sich vor, später einige davon an sich zu bringen. Zu seiner Zeit mussten sie sehr wertvoll sein.
    »Sie haben mir nur mit halben Ohr zugehört«, schmollte Caroline.
    »Entschuldigen Sie. Ich war darum bemüht, da draußen einen Anhaltspunkt zu finden. Irgend etwas,

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