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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Fund unwillkürlich an die alten Festmasken, die er von medizinisch-historischen Abbildungen her kannte.
    Doch die Maske war nicht der einzige Gegenstand, der sich in dem Beutel befand. Tobias zog ein unterarmgroßes Brecheisen hervor.
    »Sehr aufschlussreich«, murmelte Caroline. »Sind Sie sicher, dass der Beutel wirklich diesem Kahlköpfigen gehört?«
    »In jedem Fall.«
    »Ik erkenn den ook wedder!« erklärte Kristian mit zorniger Stimme. »Nu weet ik zuminnest, wat dat wohr, wat mi güssern an Kopp erwischt hett. För mi seiht dat nach Einbruchswerkzeug aus.«
    Tobias beschlich das Gefühl, eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben. Nur welche?
    »Was auch immer es mit alledem auf sich hat«, meinte Caroline schulterzuckend, »darum können wir uns später noch kümmern. Jetzt sollten wir uns lieber auf den Weg machen. Mein Vater erwartet uns längst schon.«

 

Die Weisheit der Eule
     
    Hamburg 1842, 2. Mai,
    14 Minuten nach 12 Uhr mittags
     
    P olizeiaktuar Kettenburg stand mit einem Brief am Fenster seines Bureaus in der Polizeibehörde am Neuen Wall und gähnte herzhaft. Auf der breiten Straße vor dem Gebäude herrschte reger Betrieb. Immerzu ratterten Droschken und Fuhrwerke vorbei, und wohlsituierte Bürger flanierten vor den Auslagen der Hutstaffierer, Konfektbäcker und Zigarrenhändler. Kettenburg wünschte, sich ebenfalls dem Müßiggang hingeben zu können. Statt dessen hatte ihn die Arbeit eingeholt, kaum dass er wieder in die Behörde zurückgekehrt war.
    Darunter dieser Brief. Er war an die Deputierten der Bürgerschaft adressiert und von dieser heute morgen an ihn überstellt worden. Dienstmädchen aus einem vornehmen Haus an der Straße Große Bleichen hatten ihn aufgesetzt:
     
    An die hochlöbliche Behörde zu Hamburg. Da wir schon fünf Wochen im Keller eingeschlossen sind, möchten wir die Behörde bitten, uns doch endlich zu befreien. Uns ist es nicht um das Ausgehen zu thun, nur dass wir mal an die frische Luft können. Wir haben unsere Herrschaft verschiedene Male schon gebeten. Erhielten aber zur Antwort, dass sie die Behörde in ihrem Haus wäre. Aber doch nicht über uns?
     
    Unterschrieben war der Brief mit:
     
    Mehrere Mädchen von den Große Bleichen.
     
    Betroffen überflog der Beamte die Zeilen ein zweites Mal. Die Angelegenheit entsprach der Lage in der Reichsstadt. Der Arm des Gesetzes schützte nur diejenigen, die über eine entsprechende Reputation verfügten. Er würde die peinliche Angelegenheit an einen der Polizeiofficianten weiterreichen. Ihm fehlte leider die Zeit, sich mit der benannten ›Herrschaft‹ zu streiten. Polizeisenator Binder übte mächtig Druck aus, damit er seine ganze Kraft für die Aufklärung der Mordserie aufsparte.
    Es war schon eine Zumutung, dass er sich persönlich um die Angelegenheiten dieses Justus Lewald und seiner Familie kümmern musste. Mit dem Fall hätte sich auch einer seiner Untergebenen beschäftigen können. Ganz davon zu schweigen, dass er nach dem Leichenfund letzte Nacht nur drei Stunden Schlaf gefunden hatte.
    Dummerweise gehörte der spinnerte Knabe zu den reichsten Bürgern der Stadt – sein Einfluss auf Bürgerschaft und Senat war nicht unbeträchtlich. Immerhin sollte es der Tatkraft dieses Mannes zu verdanken sein, dass sich Hamburg und das nahe Bergedorf schon in wenigen Tagen einer eigenen Eisenbahnlinie würden rühmen können. Er persönlich betrachtete diese lauten, stählernen Dampfungetüme allerdings mit gemischten Gefühlen. Doch das neue Zeitalter ließ sich nicht aufhalten. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, musste man seine Schritte lediglich in den Hafen lenken, wo es inzwischen mehr nach Ruß und Kohle stank als nach Teer und Fisch.
    Dennoch beschloss Kettenburg, den leidigen Kutschüberfall auf Lewalds reiche Tochter hintanzustellen. Statt dessen würde er die Sache mit den eingesperrten Dienstmädchen vorantreiben. Noch heute würde er jemanden in die Große Bleichen entsenden, um den benannten Herrschaften die Leviten lesen zu lassen. Kettenburg faltete das Schreiben wütend zusammen und legte es auf seinen Arbeitstisch. Das Möbelstück aus Nußbaumholz mit den feinen Bronzebeschlägen und den beiden vergoldeten weiblichen Maraskonen hatte er vom Senat als eine Gratifikation für herausragende Leistungen erhalten. Seinen Ermittlungen war es nämlich zu verdanken gewesen, dass man die so genannte Claussen-Bande auszuheben vermocht hatte. Sie bestand aus fünf Brüdern, die vor vier Jahren im

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