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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Herrschaften. Gekürzt un von mir persönlich verbessert. Erster Platz vier Schilling, zweiter Platz zwei Schilling un dritter Platz – fast geht es meiner Künstlerehre zu nahe, es auszusprechen – nur einen einzigen Schilling die lumpige Person!«
    »Wie bitte? Goethes Faust, gekürzt und … verbessert?« wandte Tobias sich feixend an Caroline. Die lächelte amüsiert.
    »Wer ist der Ausrufer?« wollte er wissen. Inzwischen waren sie dem Theater so nahe gekommen, dass er den Mann eingehender mustern konnte. Er war in einen abenteuerlichen Aufzug gehüllt. Über einem aus Samt gefertigten und mit goldenen Tressen benähten Waffenrock trug er einen blechernen Harnisch. Seine Beine steckten in hohen Reitstiefeln aus gelbem Leder, und in den mit Stulpenhandschuhen bewehrten Händen hielt er ein blitzendes Schwert. Dennoch konnte das bunte Ritterkostüm nur schwer von der hässlichen Sattelnase des Mannes ablenken.
    »Das ist Dannenberg«, erklärte Caroline. »Er ist Dichter, Regisseur, Dekorationsmaler, Heldendarsteller und Rekommandeur. Und die Leute lieben ihn. Mattler hätte niemand Besseren als Partner gewinnen können. Leider kennt Dannenberg meine Mutter nur noch flüchtig. Er und Mattler haben sich zusammengetan, als Mattler sein Marionettentheater schon aufgegeben hatte.«
    Sie nahm Tobias kurzerhand die Zügel aus den Händen und brachte den Wagen neben dem Theater zum Stehen. Anschließend winkte sie zwei Halbwüchsige heran, denen sie einige Münzen in die Hand drückte, damit diese während ihrer Abwesenheit auf Stühlwagen und Pferde Acht gaben.
    »Vergiß die Maske nicht!« ermahnte Tobias sie.
    »Keine Bange.« Caroline griff nach ihrem Korb, und gemeinsam mischten sie sich unter die Neugierigen vor der Treppe.
    »Aufführung mit doppelt besetztem Manschester!« versuchte Dannenberg auf der Treppe weiteres Publikum zu ködern. »Nur noch twee Minuten, im dann geit die Höllenfahrt los.«
    »Das hast du vorhin schon versprochen!« spottete einer der Umstehenden.
    »Ich pett dir gleich in’n Mors!« drohte ihm der Kostümierte ungehalten. Die Leute ringsum lachten. Tobias und Caroline drängten nach vorn, bis sie endlich die Stufen zum Eingang erreicht hatten.
    »Zweimal zweiter Platz«, erklärte Caroline laut und zwinkerte Dannenberg mit hoch erhobener Börse zu. Als sie neben ihm stand, flüsterte sie: »Ich muss Mattler sprechen.«
    »Dann mal hereinspaziert, mien Deern!« Dannenberg strahlte, als er Caroline erkannte, und verfiel dann ebenfalls in einen Flüsterton. »Tut mir leid, dat geht erst nach der Vorstellung. Mattler macht heute den Souffleur.«
    Der Kostümierte warf Tobias einen knappen Blick zu und öffnete die Tür. Sie betraten einen ebenso schummrigen wie verrauchten Vorstellungsraum, der vorn auf der Bühne spärlich von zwei Kandelabern mit brennenden Kerzen erleuchtet wurde. Nicht weit von dem Podest entfernt entlockte ein klappriger Kapellmeister einem ebenso klapprigen Spinett schiefe Klänge und hielt das wartende Publikum damit bei Laune. Auf Bänken, die in zwei Zehnerreihen bis vorn zur Bühne reichten, saßen strickende Frauen, die ihren Kaffee und Zucker gleich mitgebracht hatten, gelangweilte Matrosen beim Würfelspiel sowie einige Männer, die sich mit Köm zuprosteten. Auffallend war aber vor allem die große Zahl Jugendlicher, die das Theater besuchten. Auch auf der Galerie über ihnen waren tuschelnde Jungenstimmen zu hören.
    »Wird das lange dauern?« wollte Tobias von Caroline wissen.
    »Nein, Mattler und Dannenberg spielen nie länger als eine Dreiviertelstunde.«
    Er wollte schon auf einer Bank unter der Galerie Platz nehmen, doch Caroline führte ihn mit mahnendem Blick nach oben weiter zur Raummitte. »Nicht hier, es sei denn, du hast Lust, dass dir einer der Lümmel während der Vorstellung auf den Kopf spuckt.«
    »Und wann geht es los?«
    »Wenn Dannenberg beschließt, dass er genügend Publikum hat.«
    Tobias verdrehte die Augen. Das hatte er sich doch anders vorgestellt.
    Einer der älteren Seebären zwei Reihen vor ihnen schlurfte plötzlich nach vorn zu dem Kapellmeister und unterbrach dessen Spiel, indem er ihm einen Schnaps auf das Instrument stellte. »Da, mien Lütten, drink man mol een un denn speel mal ›O Hannes, wat’n Hoot!‹ Oder ›Hest Lebberwust nich sehn?‹.«
    Über ihnen, auf der Galerie, gellten begeisterte Pfiffe. Der Kapellmeister stürzte den Schnaps hinunter und bearbeitete sein gebrechliches Instrument mit neuem Elan. Auf

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