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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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halten hat.«
    Hein Gas? Tobias riss überrascht die Augen auf und musste an sich halten, um dem Trichter nicht noch einen weiteren Blick zuzuwerfen. Zu seiner Zeit warben die Hamburger Gaswerke mit genau diesem Namen. Ahrens und sein gasbeleuchtetes Lokal mussten in dieser Zeit also so etwas wie eine kleine Berühmtheit – gewesen – sein.
    Kurz darauf erreichten sie den Spielbudenplatz, wo es verwirrend nach gebratenen Äpfeln, Pferdeschweiß, Backwerk, Alkohol und Urin roch. Hier hatte die später so berühmte Straße also ihren Anfang genommen. Es war faszinierend. Die ganz früher hölzernen Spielbuden waren schon jetzt soliden Steinbauten gewichen; seinen vergnüglichen Charme hatte der Platz dennoch nicht eingebüßt. Bürger und Matrosen gleichermaßen bevölkerten die lang gezogene Amüsiermeile, und beständig war von irgendwoher Lachen, Rufen und Krakeelen zu hören.
    Nicht weit von ihnen entfernt stand ein Mann mit Frack und Zylinder hinter einem Tisch, auf dem sich Miniaturschaukeln und kleine Blechwagen befanden. Darüber pries ein Schild den ›Erstaunlichsten Flohzirkus Europas‹ an. Tobias’ Blick streifte ein geheimnisvolles, mit Minaretten. Dschinnen und fliegenden Teppichen bemaltes Etablissement, in dem angeblich der berühmteste Zauberer aus dem Morgenland auftrat. Gleich daneben lockten eine Menagerie, aus der das schrille Brüllen von Affen drang, sowie ein Raritätenkabinett, vor dem ein Plakat laut-schreierisch mit der kleinsten Frau der Welt warb. Am Rande einer Koppel beklatschte eine Gruppe von Seeleuten und Bürgern den Auftritt dreier Kunstreiterinnen mit freizügig geschnittenen Kostümen. Die ›Töchter Dschingis Khans‹ ritten auf einem schwarzen Rappen und bildeten während des Ritts auf halsbrecherische Weise einen Turm, indem jeweils eine der Artistinnen auf die Schultern der anderen stieg.
    »Herrje!« rief Caroline begeistert. »Das wäre nichts für mich.«
    »Ach, wirklich?« meinte Tobias belustigt. Ihr Weg führte sie vorbei an Trinkhallen und Wurstbratereien sowie an Buden, in denen Salzgurken und Fischbrötchen verkauft wurden. Dazwischen standen Panoramen und Camerae obscurae, deren Fassaden mit ausgestopften Papageien und exotischen Bildern ferner Länder geschmückt waren.
    »Sag mal, Caroline«, Tobias räusperte sich, »dein Vater machte gestern gewisse Andeutungen Kristian betreffend. Irgend etwas über seine Vergangenheit. Worum handelt es sich dabei?«
    Seine Begleiterin schnaubte. »Du behältst deine Geheimnisse für dich, aber die Geheimnisse anderer Leute willst du erfahren?«
    »Entschuldige. Ich wollte nicht …«
    »Krischaan war früher mal ein Dieb und Einbrecher. Dafür hat er fast sechs Jahre lang im Zuchthaus gesessen. Danach hat er als Schauermann im Hafen gearbeitet, wo er und mein Vater sich kennen gelernt haben. Mein Vater ist damals durch eine Unachtsamkeit ins Hafenbecken gestürzt, und Krischaan hat ihn vor dem Ertrinken gerettet. Seitdem arbeitet Krischaan für uns.«
    »Aha.« Tobias nickte und beäugte in einiger Entfernung einen Seiltänzer, der hoch über den Köpfen des Publikums, zwischen einem Wachsfigurenkabinett und einem Karussell aus Holzpferden, mit bunten Ringen jonglierte.
    »Bist du breegenklöderig? Pass doch op, du Dööskopp!« Unmittelbar vor dem Stühlwagen sprang ein Betrunkener mit glasigem Blick zur Seite und drohte ihm wütend mit einer halbleeren Kornflasche. Tobias riss erschrocken an den Zügeln, was die beiden Gäule vor ihm zu einem leisen Wiehern veranlasste. Himmel, fast hätte er jemanden überfahren!
    »Ah, wie weit ist es denn noch bis zu diesem Elysium-Theater?« versuchte er von seinem Malheur abzulenken. Doch Carolines mahnender Blick verriet ihm, was sie von seinen Fahrkünsten hielt.
    »Wir sind gleich da. Sieh doch, da hinten!«
    Tobias folgte Carolines Fingerzeig und entdeckte einen schlichten Steinbau, aus dem gedampft die altersschwachen Klänge eines Spinetts drangen. Über dem Eingang hing ein großes Schild, darauf prangten in schwarzen Lettern die Worte ›Elysium-Theater‹. Unter diesem Schild hatten die Betreiber des Etablissements ein einfaches Banner angebracht, auf dem das aktuelle Stück angepriesen wurde: ›Des Faustens Teufelszwang, Leben und Höllenfahrt‹.
    Vor den Stufen des Gebäudes, gleich neben einem skurrilen, als Hahn gestalteten Automaten, lauschte eine unentschlossene Menschenmenge den Ankündigungen eines kostümierten Ausrufers.
    »Goethes Klassiker, hochverehrte

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