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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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eigenen Augen sehen. Wenn du mich nicht doch angeflunkert hast. Und jetzt komm!«
    Bevor er es verhindern konnte, huschte Caroline geduckt auf das Pferd zu. Tobias schüttelte unglücklich den Kopf. Etwas sagte ihm, dass das kein guter Plan sei. Gar kein guter Plan. Schließlich folgte er ihr.

 

Vorhof zur Hölle
     
    Hamburg 1842, 3. Mai,
    37 Minuten nach 9 Uhr am Abend
     
    V orsicht!« zischte Tobias. Behutsam legte er die Hände um Carolines Hüfte, um ihr dabei zu helfen, durch die Kohlenrutsche vom Hof der Abdeckerei hinunter in den Keller des Schlachthauses zu gelangen. Der Zugang des Gebäudes über ihnen war leider verschlossen gewesen. Und so war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als sich auf diese Weise Einlass zu verschaffen. Seine Gefährtin fluchte leise. Ihr Rock hatte sich an einem Holzsplitter verfangen, und so gewährte sie ihm, ohne es zu ahnen, einen Blick auf ihre wohlgeformten Beine. Tobias schmunzelte. Dass er in dieser Situation einen Blick für so etwas hatte, wunderte ihn selbst.
    Endlich gelang es Caroline, einen Fuß auf den Kohlenberg zu setzen, der die Wand zum Innenhof wie eine rutschige Geröllhalde bedeckte. Mit sich brachte sie einen Schwall unerträglich stinkender Luft, die von den faulenden Abfallhaufen auf dem Hof herrührte. Beide waren sie jetzt über und über mit Kohlenstaub bedeckt. Caroline klopfte sich den Rock ab und sah sich um. Tobias hatte bereits eine kleine Kerze entzündet, deren flackernder Schein ein leeres, wurmstichiges Regal an der Wand enthüllte. Daneben lehnte eine rostige Kohlenschaufel. Von größerem Interesse war die schiefe Kellertür unmittelbar hinter ihnen.
    »Willst du nicht doch lieber oben im Hof warten?« flüsterte Tobias.
    »Auf gar keinen Fall«, antwortete Caroline. »Bei dem Gestank? Hast du die Knochen gesehen? Mir ist ganz blümerant geworden. Ich werd nie wieder Fleisch essen. Nie wieder!«
    Obwohl seine Gefährtin verdächtig blass wirkte, gab Tobias seine Überredungsversuche auf. Lewald hatte recht. Seine Tochter war trotzig. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, musste schon ein Weltuntergang drohen, bevor sie sich von ihrem Vorhaben abbringen ließ.
    Andererseits, war sie ihm darin nicht ähnlich?
    Tobias stieg von dem Kohlehaufen und hob die Kerze auf. Mit der Spitze des Floretts deutete er auf die Schaufel. »Nimm die mit. Ich will nicht, dass du unbewaffnet bist!«
    Caroline nickte und tat, wie er ihr geheißen hatte. Vorsichtig näherte er sich der Kellertür und lauschte. Nichts war zu hören. Als er sie öffnete, schleifte die Tür mit einem hässlichen Geräusch über den Boden. Einen bangen Augenblick lang verharrten sie, erst dann fand Tobias den Mut, einen Blick in den dahinterliegenden Gang zu werfen. Die Decke war mit Verkrustungen aus Salz und Schimmel überzogen, und der flackernde Kerzenschein sorgte für unheimliche Schatten, die über die Wände huschten. Der Gestank aus dem Innenhof ging hier in einen feuchten Modergeruch über. Wie gern hätte er jetzt eine Taschenlampe zur Hand gehabt. Ihm war alles andere als wohl zumute. Da spürte er Carolines Körper neben dem seinen. Auch sie ließ es sich nicht nehmen, in den Gang zu spähen.
    »Sieh doch, da hinten führt eine Stiege nach oben!« Caroline deutete nach links zu einer hölzernen Treppe. Sie huschte an ihm vorbei und spähte mit erhobener Schaufel nach oben.
    »Eine verschlossene Falltür«, flüsterte sie. »Sicher führt sie in die Schlachthalle.«
    Tobias schien es am vernünftigsten, erst den Keller zu untersuchen. Drei Türen zweigten von hier aus ab. Er wies kurzerhand auf einen dunklen Durchgang ganz am Ende des Gangs. »Lass uns erst da nachsehen.«
    Vorsichtig tasteten sie sich vorwärts und betraten einen großen Raum mit Tonnengewölbe, dessen Anblick ihnen einen Augenblick lang die Sprache verschlug.
    Auf Tischen und Regalen standen Reagenzgläser, Glaskolben, Kupferschalen und andere Laborgeräte neben beschrifteten Gefäßen mit unbekannten Chemikalien. In einem großen Stativ schräg gegenüber war eine riesige Retorte eingeklemmt, neben der ein chemischer Brenner stand.
    Zu ihrer Linken enthüllte der Schein ihrer Kerze ein seltsames, mannshohes Gestell mit hölzernem Schwungrad, von dem aus Seile zu der Achse einer großen Glaskugel führten. Die Kugel war drehbar gelagert und setzte auf einer Kupferschale auf, von der Drähte ausgingen.
    Am unheimlichsten aber war ein massiver, am Boden verschraubter Holzstuhl inmitten des

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