Der Funke des Chronos
führt?«
Er schluckte. Ehrlich gesagt hatte er über die Folgen seines Tuns noch gar nicht nachgedacht. Sein Plan endete bislang damit, dem Pferd zu folgen. Der Kahlköpfige war nach Aussage dieses Polizeiaktuars ein skrupelloser Serienmörder. Die letzte Nacht hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass der Mann bei einem neuerlichen Zusammentreffen mit ihm nicht zögern würde, ihn ebenfalls umzubringen.
Müde hob er das Florett, das ihm Lewald überlassen hatte. »Nun, ich denke, ich werde ihn mit dem hier irgendwie zwingen müssen, mich zu der, äh … zu der Maschine zu führen.«
Tobias atmete tief ein und wollte schon weitergehen, als er bemerkte, dass Caroline ihm nicht mehr folgte.
»Was ist denn?« flüsterte er.
»Ich denke, ich habe ein paar Antworten verdient. Seitdem wir uns kennen, habe ich niemandem etwas von deinem Geheimnis verraten. Ich habe dir bei deiner Suche nach diesem Was-auch-immer geholfen und bin sogar bereit gewesen, meinen guten Ruf aufs Spiel zu setzen. Du kennst inzwischen mich, meine Familie und mein Zuhause. Von dir aber weiß ich nichts. Gar nichts. Ich habe mich die ganze Zeit über darauf verlassen, dass du ein Ehrenmann bist. Allein durch dein Wort. Aber jetzt …«
Krampfartig hustete sie, und Tobias eilte besorgt zu ihr.
»Lass mich«, wies sie ihn um Atem ringend ab. »Ich habe dir geholfen, weil du der einzige warst, der mich nicht ständig wie ein dummes Mädchen behandelt. Bis hierher. Jetzt aber verlange ich eine Antwort.«
Tobias starrte betreten zu Boden. »Du wirst mir nicht glauben, Caroline.«
»Ich wusste es«, erwiderte sie heftig. »Ich bin ja nur eine Frau. Ich kenne das schon. Was ich glaube oder nicht glaube, das entscheide ich selbst!«
»So meinte ich das nicht.«
»Wer bist du?«
Tobias seufzte und versuchte im Halbdunkeln den Gesichtsausdruck Carolines zu studieren. Es gelang ihm nicht. Da sich das Pferd immer noch nicht vom Fleck rührte, setzte er sich auf die hölzerne Treppe eines Hauseingangs, legte sein Bündel und das Futteral mit dem Florett ab und rieb sich die Schläfen.
»Ich stamme nicht von hier.«
»Das weiß ich bereits.«
»Nein, das meinte ich nicht. Ich stamme nicht einmal aus deiner Zeit, Caroline. Ich komme aus der Zukunft, aus dem 21. Jahrhundert.«
Seine Begleiterin gab einen erstickten Laut von sich – und so fuhr er hastig fort. Er berichtete ihr von dem Zusammentreffen mit dem Uhrmacher, der Zeitreise und der unglücklichen Verkettung von Ereignissen, bis er mit ihr zusammengetroffen war. Ob sie ihm nun glaubte oder nicht, die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Ihm war, als wäre ein Damm gebrochen. Tobias merkte, dass ihm plötzlich zum Heulen zumute war.
»Schon die ganze Zeit über denke ich darüber nach«, endete er stockend, »was ist, wenn ich den Weg zurück nicht mehr finde. Wenn diese verfluchte Zeitmaschine verschwunden bleibt und ich für immer hier bleiben muss. Das ist es, wovor ich am meisten Angst habe. Eine Scheißangst.«
Zögernd blickte er zu Caroline auf. Er erwartete einen empörten Gefühlsausbruch. Irgend etwas. Statt dessen stand sie stocksteif neben ihm und starrte schweigend auf ihn herab. Plötzlich kicherte sie. Aber gleich hatte sie sich wieder im Griff. Dann setzte auch sie sich. Es wirkte, als würde sie hinfallen.
»Meine Güte«, flüsterte sie. Und dann noch einmal. »Meine Güte.«
Eine Weile sprachen sie kein Wort, bis ihm Caroline etwas in die Hand drückte. Tobias fühlte zu seiner Überraschung das glatte Leder seiner Geldbörse. Er hatte sein Portemonnaie also doch nicht im Keller des Uhrmachers verloren.
»Das trag ich bei mir, seit wir dich vorletzte Nacht umgezogen haben«, erklärte sie mit belegter Stimme. »Ich kann mir auf seinen Inhalt keinen Reim machen. All diese seltsamen Karten, Münzen und Scheine … Bundesrepublik Deutschland? Ist damit der Deutsche Bund gemeint?«
»Sagen wir es so«, erklärte er, »ein demokratischer Staat, der aus ihm hervorgehen wird. Aber das wird noch dauern. Wird ein langer, schmerzhafter Weg werden.«
»Und was ist eine Videothek? «
Tobias fühlte sich durch die Frage derart überrumpelt, dass er einige Sekunden brauchte, um zu antworten.
»Ah, dort kannst du dir Filme ausleihen.«
»Filme?«
»Ja, das ist …« Tobias rang nach Worten. »Das ist so was ähnliches wie eine Camera obscura. Nur mit beweglichen Bildern. Stell dir vor, dass du dir ein Theaterstück ansiehst, nur dass die Schauspieler, die Bühne und alles
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