Der Funke des Chronos
andere als bewegliche heliographische Bilder an die Wand geworfen werden. Es wirkt wie echt.«
Caroline stand ruckartig wieder auf und fuhr ihn an. »Deine Geschichte macht mir angst. Das ist Tühnkram, das Albernste, was ich je gehört habe! Warum schwindelst du mich so an? Was habe ich dir getan?«
»Ich schwindle dich nicht an«, begehrte Tobias auf. »Ich wusste, dass du mir nicht glauben würdest. Wenn du dem hier nicht glaubst« – er schwenkte seine Börse –, »dann erinnere dich doch an meine Kleidung. Hast du so etwas zuvor schon einmal gesehen? Oder die Uhr, die der Polizeiaktuar deinem Vater gezeigt hat? Ich hab sie bei dem Kampf gegen diesen Schurken verloren.«
Trotz der schwülen Nachtluft und trotz der Strickjacke, die Caroline trug, umklammerte sie ihre Arme, als fröre sie. Zögernd setzte sie sich wieder und fuhr sich aufgewühlt durch das Haar. »Ich müsste schon ganz schön dumm sein, dir das zu glauben.«
»Du bist alles andere als dumm.«
»Dürfen die Frauen in deiner Welt studieren?«
Tobias lachte. »Ja, das dürfen sie. Ihr dürft in meiner Zeit viel mehr als heute.«
»Hm. Das klingt gut. Dennoch, ich glaube dir immer noch nicht.«
Tobias spürte jedoch, dass sich Caroline entspannte.
»Und was geschieht in den nächsten hundertfünfzig Jahren? Eher Gutes oder eher Schlechtes?«
Er seufzte. »Willst du das wirklich wissen?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Beides. Es wird viel Gutes, aber auch sehr viel Böses geschehen.«
»Ich hatte gehofft, die Menschen würden sich in der Zukunft bessern. Dass sie keine Kriege mehr führen und dass sie einander mehr respektieren und auf Gottes Wort achten.«
»Das hoffen die Menschen in meiner Zeit immer noch. Ehrlich gesagt haben sich die Leute nicht sehr verändert. Brauchst nur mich anzusehen.«
Caroline lachte leise und schüttelte ungläubig den Kopf. »Vielleicht glaubst du nur, dass du aus der Zukunft stammst. Vielleicht bist du ja doch verrückt. Auf jeden Fall bist du der seltsamste Mensch, der mir je begegnet ist. Gleichgültig, ob du mich nun antüdelst oder nicht.«
»Noch einmal: Ich schwindle dich nicht an.«
Zweifelnd legte Caroline den Kopf zur Seite. »Das war nicht unbedingt die Antwort, die ich mir erhofft hatte.«
»Komm«, schlug Tobias vor und erhob sich, »lass uns dem blöden Gaul einen Klaps geben, damit wir weiterkommen. Dann beweise ich es dir.«
»Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Sieh doch!«
Im fahlen Lampenschein, das durch das Fenster über ihnen in die Gasse fiel, war deutlich zu sehen, dass das Pferd mit den Hufen scharrte. Es war nicht einfach stehen geblieben, es hatte vor dem Tor zu einem großen Innenhof haltgemacht, der eingeklemmt zwischen schiefwinkligen Häusern lag. Von dort schien auch der ekelerregende Geruch zu stammen.
»Mensch, du hast recht!« flüsterte Tobias aufgeregt. »Was mag sich hinter dem Tor befinden?«
»Ich weiß es nicht. Riecht nach einem Schlachthof, aber die liegen woanders. Das könnte der Hof eines Abdeckers sein.«
»Das passt zu dem Mistkerl.« Tobias umklammerte den Griff des Floretts und zögerte.
»Was ist?« wollte Caroline wissen.
»Naja, ehrlich gesagt fühle ich mich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, einer solchen Abdeckerei ausgerechnet zu dieser Tageszeit einen Besuch abzustatten. Vielleicht sollte ich bis zum Sonnenaufgang warten.«
»Jetzt sind wir so weit gekommen, und da willst du kneifen?« hielt ihm Caroline entgegen. »Schau dir den Hof doch an! Das Gebäude daneben ist ganz dunkel. Wäre jemand da, sähen wir gewiss ein Licht. Außerdem ist die Straße morgen wieder voller Leute. Tagsüber kommen wir da nie ungesehen hinein.«
»Nun gut. Aber du bleibst hier und versteckst dich. Du wartest einfach, bis ich zurückkomme. Ich werde …«
»Nichts wirst du ohne mich tun«, widersprach Caroline energisch. »Weißt du denn nicht, was geschieht, wenn mich hier eine Nachtwache mutterseelenallein aufgreift? Man wirft mich wegen Hurerei ins Zuchthaus.«
»Wie bitte?« Tobias blickte Caroline ungläubig an. »Trotzdem … Dein Vater wird mir den Kopf abreißen, wenn dir was zustößt.«
»Das wird er auch tun, wenn er erfährt, wo wir uns hier gerade befinden. Du wirst noch froh sein, dass du mich dabei hast. Im Gegensatz zu dir mache ich so etwas nämlich nicht zum ersten Mal. Ich hab dir doch von dem Hund des Torfhändlers erzählt, den wir befreien wollten. Und der war nicht der erste. Außerdem will ich deine Zeitmaschine endlich mit
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