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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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mit offenem Mund an. »Dunnerwetter, Herr Polizeiaktuar. Also, dat hätt ik im nich vun Sie …«
    »Ach, hör auf, Borchert! Man ist doch Mensch.«
    »Jochen?«
    Kettenburg und Borchert wandten sich überrascht zu der hageren Gestalt in der klobigen Nachtwächteruniform um, die unversehens aus dem Dunkel trat. Die spitze Nase und das eingefallene Gesicht – Kettenburg erkannte den Mann sofort wieder. Es handelte sich um Borcherts Kameraden aus der Tatnacht.
    »Mensch, Jan, wat mookst du denn hier?« wollte Borchert wissen.
    »Na, wat wohl?« antwortete der hagere Uhle mit schnarrender Stimme. Erst jetzt erkannte der Neuankömmling den Polizeiaktuar. Höflich begrüßte er ihn.
    »Offiziell mook ik mien Runde. Inoffiziell hebb ik mit dien Bruder dem Dragonerstall een Besuch afstattet. All vergeten?«
    »Ach so, jo, richtig. Tut mi leid, de Herr Polizeiaktuar hat sich um de Karren all kümmert.«
    »Weet ik all ook. Bün dort nämlich de jung Leutnant begegnet, de just den Gaul abholt hett. Ik heff gornich wüßt, dat de Militär nu ook mit de Fall betraut is. Mann, hett der üss stramm steihn loten. De Stallmeester hett er sogar een poor Kniebeugen moken loten, as de nich richtig spurte.«
    »Ein junger … was? Wer?« wollte Kettenburg aufgebracht wissen.
    »Ah, een gewisser Leutnant vun Eifersdorf. Er meent, dat er mit sej in düsse Fall tosammenorbeit, Herr Polizeiaktuar.«
    »Mit mir zusammen? Er hat mich namentlich genannt?«
    »Ah. Jo.«
    »Verflucht noch einmal. Ein solcher Leutnant ist mir nicht bekannt. Was will der Kerl mit dem Pferd? Borchert, wir gehen vor wie besprochen. Nimm deinen Kameraden gleich mit. Heute Nacht werden wir diese Sache ein für allemal beenden.«

 

Aussprache
     
    Hamburg 1842, 3. Mai,
    10 Minuten nach 9 Uhr am Abend
     
    D u bist ein Wagehals, Tobias. Ja, ein leichtfertiger Wagehals!« Caroline schimpfte und hatte sichtlich Mühe, nicht loszuschreien. »Dieser … dieser Auftritt hätte dich für viele Jahre ins Zuchthaus bringen können. Ich bin tausend Tode gestorben.«
    Tobias schmunzelte selbstzufrieden und freute sich noch immer über seinen geglückten Auftritt im Dragonerstall, mit dem er den Soldaten des Hamburger Bürgermilitärs das Pferd des Kahlköpfigen abgeluchst hatte. Im nachhinein wunderte er sich darüber, welchen Eindruck die Uniform auf die Soldaten gemacht hatte. Inzwischen bedauerte er es sogar ein klein wenig, Carolines Drängen nachgegeben und die Uniform wieder ausgezogen zu haben.
    Nicht nur der Erfolg von vorhin beflügelte ihn, es sah auch so aus, als ginge sein Plan auf. Schon seit geraumer Zeit folgten er und Caroline dem müden Klepper, den sie aus dem Dragonerstall befreit hatten, in einigem Abstand durch die Nacht. Wenn der Gaul die Lichtinsel einer der wenigen Öllaternen am Straßenrand passierte, blieb er zwar immer wieder stehen. Doch wenn er sich anschließend wieder in Gang setzte, wirkte dies sehr zielgerichtet. Kritisch waren allein jene Augenblicke, wenn ihnen jemand entgegenkam. In solchen Fällen waren er und Caroline gezwungen, sich als vermeintliche Besitzer des Pferdes zu erkennen zu geben, wollten sie verhindern, dass die Tat auffiel. Glücklicherweise hatte es bislang nur wenige Zwischenfälle dieser Art gegeben. Im Hamburg dieser Zeit wurde es nach Einbruch der Dunkelheit sehr ruhig auf den Straßen.
    »Was hast du nur?« bremste er den Redefluss seiner temperamentvollen Begleiterin. »Der Plan ist doch geglückt. Ich bin mir sicher, der Klepper führt uns geradewegs zu seinem Besitzer.«
    Mittlerweile waren sie irgendwo im Kirchspiel Michaelis in einer engen, schmutzigen Gasse angelangt, die allein durch den schmalen Lichtschein aus einem Fenster schräg über ihnen beleuchtet wurde. Die Luft stank wie in einem Schlachthaus. Unglücklicherweise war das Pferd schon wieder stehen geblieben.
    »Nein, dein Plan war verrückt«, grollte Caroline. »Völlig verrückt. Hätte ich gewusst, was du vorhast, hätte ich nie eingewilligt, dich zum Dragonerstall zu bringen. Ich hätte dir auch nicht dabei geholfen. Mattler dazu zu überreden, dir die Uniform auszuleihen. Ich muss den Verstand verloren haben. Wenn Hannchen herausbekommt, dass ich nicht mehr im Haus bin, sondern mitten in der Nacht mit dir durch die übelsten Straßen Hamburgs spaziere, dann … dann …« Caroline stampfte wütend mit den Füßen auf. »Dammi noch mol. Hast du dir überhaupt schon überlegt, was du tust, wenn dich das Pferd tatsächlich zu diesem Unhold

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