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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Gewölbes, der mit Lederriemen an Armlehnen und Fußstützen ausgestattet war. Nicht weit davon entfernt stand eine mit Flüssigkeit gefüllte Wanne, aus der zwei Metallstäbe herausragten. Als Tobias näher an den Stuhl herantrat, erkannte er, dass die Rücklehne gänzlich aus gewalztem Kupfer bestand und dass auf Kopfhöhe eine Fixierungsklammer aus Metall angebracht war. Von dort führte ein mit Nägeln versehener Messingdraht neben eine kniehohe, ebenfalls mit Kupfer ummantelte Flasche.
    »Herrgott, wo sind wir hier gelandet?« keuchte Caroline.
    Tobias musste bei dem fürchterlichen Anblick nicht lange überlegen. »Auf mich wirkt das wie ein Stromstuhl. Das ist eine verdammte Folterkammer.«
    Er deutete mit dem Kinn zu dem Holzgestell mit dem Schwungrad und der Glaskugel und versuchte sich an seinen Physikunterricht zu erinnern. »Ich glaube, das da ist eine Elektrisiermaschine. Damit kann man statische Elektrizität erzeugen, die dann in einen Konduktor geleitet wird, um sie zu speichern.«
    »Kloogschieter!« flüsterte Caroline. »Das weiß ich selbst. Vor ein paar Jahren hat ein Schausteller auf dem Hamburger Berg mit einem ähnlichen Gerät den Elektrischen Kuss vorgeführt.«
    »Den was?«
    »Nun, er hat junge Frauen mit elektrischem Fluidum aufgeladen. Wenn sie dann ihren Verlobten geküsst haben, gab es jedes Mal einen Funken. Aber das war nicht gefährlich.«
    »Nicht gefährlich?« fluchte Tobias. »Elektrizität ist saugefährlich! Du kannst durch einen Stromstoß sterben. Der, der das hier aufgebaut hat, weiß das offenbar sehr gut. Warum ist der Stuhl wohl mit Fesseln ausgestattet?«
    Caroline zeigte besorgt auf das ummantelte Glasgefäß neben dem Stuhl. »Eine Leidener Flasche, richtig?«
    »Ich schätze, ja. Eine Art Batterie. Wahrscheinlich um die gewonnene Spannung mit einem Schlag an den Stuhl abgeben zu können. Du kennst dich gut aus.«
    »Hast du vergessen, wo ich aufgewachsen bin? Mein Vater besitzt sogar eine Dampfelektrisiermaschine.«
    Natürlich, darauf hätte er auch selbst kommen können. Allerdings fragte er sich, wozu das Ganze diente. Dem Kahlköpfigen traute er die Bedienung dieser Apparaturen nicht zu. Ihm nicht, aber vielleicht seinem Boss? Diesem Kerl, mit dem er letzte Nacht die Klingen gekreuzt hatte.
    »Caroline, wir sind einer ganz großen Schweinerei auf die Spur gekommen. Lass uns versuchen herauszufinden, wozu das Ganze dient.«
    Entschlossen näherte er sich einem der Arbeitstische und entzündete den Brenner neben der Retorte. Kurz darauf wurde es etwas heller im Raum. Caroline nahm ihm die Kerze ab und wandte sich wieder dem Stuhl zu, während er den Labortisch abschritt. Vor ihm lagen Pipetten, Eisennadeln, Glasstäbe sowie Sezierbesteck, wie es ein Chirurg verwendete. Kopfschüttelnd betrachtete er eine große Uhrschale, auf deren Grund Reste getrockneten Blutes klebten. Er wandte sich der Retorte zu und klopfte mit dem Finger gegen den bauchigen Körper. Die dunkle Flüssigkeit darin zitterte. Über der Oberfläche kräuselte sich Rauch.
    Was war das? Hoffentlich nichts Explosives.
    Er wandte sich wieder Caroline zu, die mit der Schaufel die Wanne vor dem Stuhl untersuchte. »Wasser. Wenn ich mich nicht irre, liegen Eisenspäne auf dem Grund.«
    »Sei bloß vorsichtig«, murmelte er. Er selbst suchte den Labortisch weiter ab und las erstaunt die Titel einiger dicker Bücher, die griffbereit auf einem Regal in Kopfhöhe standen: Novum Organum scientiarum sive indicia vera de interpretatione naturae; Nova Atlantis; II saggiatore und De generatione rerum naturalium. Das waren Schriften von Männern wie Francis Bacon, Galileo Galilei und Paracelsus.
    Erst jetzt entdeckte er den auffälligen Holzkasten, der neben einem Gestell mit Reagenzgläsern stand. Das kunstvolle Schloss war mit roher Gewalt aufgebrochen worden, doch änderte dies nichts an der schlichten Eleganz der Kiste. Sie bestand aus Nußbaumholz und ähnelte dank des gewölbten Deckels einer kleinen Truhe. In den Deckel war eine silberne Münze eingelassen. Sie zeigte ein flammendes Rad, das eine ägyptische Pyramide mit dem allsehenden Auge einschloss. Darunter waren zwei weitere Symbole zu erkennen: Zirkel und Winkelmaß. Tobias stieß einen leisen Pfiff aus. Wenn er sich nicht irrte, waren das die Embleme der Freimaurer.
    Nosce teipsum! Hatte Lewald nicht erklärt, dass dies die Losungsworte des Geheimbunds waren? Eine seltsame Aufregung breitete sich in ihm aus. Neugierig öffnete er den Kasten und

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