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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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abgeliefert habe. Da geht es um Geld, um gewaltig viel Geld… Dieser Banker, dessen Computer ich gehackt habe, hat Geld aus seiner eigenen Bank weggeschafft… ins Ausland. Verstehst du? Ich bin ein toter Mann!«
    »Na, fürs Erste kannst du bei mir wohnen…«
    »Danke«, sagte Koljan bitter. »Bloß wird jeder, der mich [307] kennt, wenn man ihn an die Wand drückt und ihn nach meinem Versteck fragt, sofort deinen Namen nennen!«
    »Vielleicht nicht sofort?!«, sagte Igor hoffnungsvoll.
    »Außerdem hab ich auch noch Kopfweh.« Koljan rieb sich die rechte Schläfe.
    »Wir müssen einen Ausweg suchen«, flüsterte Igor. »Unbedingt!«
    »Such! Ich bin jetzt dein Problem«, sagte Koljan mit der Stimme eines unheilbar kranken Menschen.
    »Gehen wir ins Zimmer«, schlug Igor vor.
    Koljan antwortete nicht und rührte sich nicht von der Stelle.
    »Vielleicht einen Kognak?«
    Dieser Vorschlag gefiel Koljan, und Igor ging in die Küche und brachte von dort eine Flasche ›Koktebel‹ und zwei Gläser.
    Sie tranken schweigend. Igor sah, dass Koljan sich betrinken wollte, und deshalb nippte er kaum an seinem Glas, während er regelmäßig das Glas seines Freundes neu füllte.
    Endlich ließ Koljans Spannung nach. Er war einverstanden, in Igors Zimmer zu gehen, aber bat darum, dass sie sich auf den Boden und möglichst weit vom Fenster entfernt setzten.
    Jacke und Stiefel ließ Koljan im Flur.
    »Hast du noch was zu trinken?«, fragte er im Zimmer.
    »Kognak gibt es keinen mehr, nur noch Mutters Wermutschnaps.«
    »Gut, bring her!«
    Wieder tranken sie schweigend. Das heißt, nur Koljan trank. Und wurde einfach nicht betrunken.
    [308] »Was soll ich machen?«, fragte er irgendwann mit schon leicht schwerer Zunge. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir seit dem Krankenhaus der Kopf manchmal weh tut…«
    »Seit sie dich verprügelt haben«, bemerkte Igor. »Im Krankenhaus wurdest du ja nicht geprügelt, sondern gepflegt!«
    Koljan hörte seinem Freund nicht zu. »Wenn ich nur ins Ausland könnte, über irgendeine Grenze. Aber wohin und wie?! Und auch dort können sie mich kriegen… Wie oft hat es das schon gegeben…«
    »Du musst über eine Grenze, hinter der sie dich nicht kriegen«, sagte Igor nachdenklich und spürte, dass irgend-wo ganz in der Nähe eine Eingebung wartete, wie sein Freund zu retten war.
    »Lateinamerika?«, flüsterte Koljan fragend. »Dort sterbe ich an Heimweh. Oder an Tequila.«
    Igor schüttelte den Kopf. »Nein, nicht Lateinamerika.«
    Wieder hing Stille im Raum. Durch die offene Lüftungsklappe drang das Brummen eines fernen Flugzeugs an die Ohren der beiden Freunde.
    Koljans Lippen zitterten. »Sag schon was!«, flüsterte er. »Denk dir irgendwas aus. Meine Stunden sind gezählt… Vielleicht noch ein Tag. Verstehst du, wenn sie mit einem Scharfschützengewehr schießen, heißt das, es war bestellt und bezahlt… Man hat mich in Auftrag gegeben…«
    »Komm, ich mache dir ein Bett hier auf dem Boden«, schlug Igor vor. »Du schläfst ein bisschen, und ich denke nach…«
    Koljan stimmte zu, und auf der dünnen Matratze, die sie gewöhnlich für die Liege benutzten, schlief er, ohne seine Skihose auszuziehen, sofort ein.
    [309] Igor holte Koljans Tasche ins Zimmer und legte sich selbst auf sein Bett. Dann sah er an die Decke, lauschte dem nervösen Atem des unruhig schlafenden Koljan.
    ›Vielleicht kann man Stepan bitten… dass Koljan fürs Erste in seinem Neubau wohnt?‹, überlegte Igor. ›Er könnte dort wohnen und mithelfen, bis sie das Haus in Ordnung gebracht haben.‹
    Er stellte sich vor, wie Koljan einen Sack mit Bauschutt aus dem Haus schleppte. Drinnen strichen Stepan und Aljona etwas an. Und derweil rollte ein schwarzer Geländewagen die Straße entlang bis an ihren Zaun. Mit denen drin, die Koljan suchten… Aber woher sollten sie erfahren, dass er dort, bei Stepan, war?!
    Je mehr Igor seine Gehirnzellen anstrengte, desto komplizierter erschien ihm die gestellte Aufgabe. Vor Erschöpfung und Anspannung begann ihn der Kopf zu schmerzen. Er rieb sich die rechte Schläfe und dachte daran, dass auch Koljan im Flur über Kopfweh geklagt und sich genauso die Schläfe gerieben hatte.
    ›Was tun? Was tun? Denke, Kopf, denke!‹, ermahnte Igor sich, während er schon beinahe vor dem Schlaf kapitulierte. Er gähnte und versuchte noch, die Augen offenzuhalten.
    »Eine ferne Grenze…«, flüsterte er langsam und immer leiser.
    Seine Augen fielen zu. Und in diesem Moment sah Igor vor

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