Der Gärtner von Otschakow
und T-Shirt an dem Fenster mit der offenen Lüftungsklappe stand.
Auf Zehenspitzen schlich Igor in den Flur, bog in die Küche ab, drückte sich ans Fenster. Es war wieder still geworden. Er öffnete die Lüftungsklappe, stieg auf einen Hocker und steckte den Kopf hinaus. Von hier aus glich das dunkle Ding auf dem Weg einer großen Einkaufstasche.
»Wer ist da?«, fragte Igor leise. Dann horchte er.
Hinter der Hausecke, aus der Richtung des Schuppens, hörte er ein Knacken, als wäre jemand auf einen trockenen Zweig getreten.
[304] »Wer ist da?«, fragte Igor etwas lauter und spürte an der Taille den warmen Atem seiner Mutter. Sie war ihm vor lauter Angst in die Küche gefolgt und spähte jetzt hinter seinem Rücken hervor durchs Fenster.
An der Hausecke ertönten eilige Schritte. Igor zog den Kopf zurück, reckte sich hinter der Scheibe und konnte gerade noch bis zur Hausecke sehen.
Um die Ecke schlich Koljan. Sein suchender Blick streifte über die dunklen Fenster des Hauses.
»He, was machst du hier?«, fragte Igor erstaunt.
Koljan erkannte nicht sofort, woher die Stimme kam, trat näher und sah endlich seinen Freund.
»Mach auf, schnell!«, bat er. Seine Stimme zitterte wie vor Kälte.
»Komm zur Tür«, sagte Igor und stieg vom Hocker, ohne seinen Freund aus den Augen zu lassen. Denn Koljan rannte direkt zum Gartentor.
Igors Verwunderung legte sich schnell, Koljan war bei seiner Tasche angekommen, schnappte sie und eilte zurück zur Haustür.
Drinnen ließ Koljan sofort die Tasche fallen und drehte hinter sich den Schlüssel im Haustürschloss.
»Ist was passiert?«, fragte Igor ihn.
Koljan nickte wortlos. Am Ende des Flurs entdeckte er Igors Mutter.
»Entschuldigen Sie, dass ich so spät…«, stammelte er.
»Also, ich gehe schlafen«, sagte die Mutter.
»Bring Stühle oder Hocker her«, flüsterte Koljan. »Dann reden wir!«
»Setzen wir uns lieber in die Küche«, schlug Igor vor.
[305] Koljan schüttelte den Kopf. »Ich habe jetzt Agoraphobie… Ich bleib lieber da, wo es keine Fenster gibt…«
Igor rührte sich nicht. Verblüfft starrte er seinen Freund an, der sehr seltsam und für den Herbst zu warm gekleidet war. An den Füßen Winterstiefel, in denen Skihosen steckten. Eine warme Daunenjacke mit bis unters Kinn hochgezogenem Reißverschluss. Und auf dem Kopf eine schwarze Skimütze.
»Was ist?«, fragte Koljan ihn. »Hast du mich gehört?«
Igor nickte und brachte zwei Hocker. Schwer ließ Koljan sich auf einem nieder.
»Vielleicht ziehst du dich aus?«, fragte Igor. »Und ich ziehe mich an, mir ist kalt.«
Er ging in sein Zimmer, schlüpfte in seinen Trainingsanzug und kehrte zurück.
Koljan saß unverändert auf dem Hocker. Nur die Skimütze lag jetzt auf seinen Knien. Er sah hoch zu der von der Decke herunterleuchtenden Lampe.
»Mach sie aus«, bat er.
Igor knipste das Licht aus und setzte sich seinem Freund gegenüber. Die Dunkelheit machte ihn blind.
»Na, was ist?«, fragte er unzufrieden. »Wollen wir uns so unterhalten?«
»Ja«, flüsterte Koljan. »Genau so. Ich habe Angst… Du kannst es dir nicht vorstellen!… Sie hätten mich fast umgebracht!«
»Wer?«, fragte Igor.
»Na, immer noch dieselben.« Koljan zog seinen Reißverschluss auf, und in der Stille klang das Geräusch unheilvoll, wie das Zischen einer Schlange. »Ich habe dir doch gesagt, [306] dass mir verziehen wurde… im Austausch gegen die Dateien und Mails…«
Igor nickte.
»Ich hab alles gemacht, und der, der mir verzeihen wollte, hat mich mit Haut und Haaren dem Feind ausgeliefert. Er hat sich da, stellt sich heraus, einen Spaß mit seinem Ex-Geschäftspartner gemacht…«
»Geschäftsleute bringen keinen um«, sagte Igor, dem es, trotz des Trainingsanzugs, wieder kalt wurde.
»Das kommt drauf an, was für Geschäfte… Ein Scharfschütze hat auf mich geschossen, als ich in meiner Küche saß… Heiliger Bimbam!… Ich lehne mich nur gerade in meinem Stuhl zurück, um den Teekessel vom Herd zu nehmen. Im selben Moment – ein Loch in der Scheibe, und eine Kugel zischt Millimeter an meinem Ohr vorbei! Das Ohr war ganz schön heiß…«
Koljan fasste sich an das linke Ohr. »Fühl mal!«, flüsterte er.
»Wozu?«, fragte Igor verwundert. »Und was machst du jetzt?«
»Ich weiß nicht«, sagte Koljan niedergeschlagen. »Nach Hause – geht nicht. Nach Kiew – geht nicht… Ich kann nirgends hin! Die beruhigen sich nicht… Ich hab mir diese Dateien doch angeschaut, bevor ich sie
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