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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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seiner Haut hinablief. Es war kein besonders angenehmes Gefühl. Er sah sich nach Walja um. Sie trocknete sich mit etwas den Hals ab.
    [229] »Was hast du da?«, fragte Igor verwundert.
    »Ein Taschentuch.« Sie zeigte es ihm.
    Walja wrang ihr Taschentuch aus und begann sich wieder damit abzureiben. Vorsichtig, zögernd schlüpfte Igor aus seinem Hemd, wrang es aus, und das Wasser ergoss sich als kleiner Bach in den nassen Sand. Er streifte auch das nasse T-Shirt über den Kopf und wrang es ebenfalls aus, zog es sofort wieder an und auch das Hemd wieder darüber. Nur die Knöpfe machte er nicht zu. Walja stand neben ihm, ihre schöne Brust erschien Igor in ihrer Unbewegtheit für einen Augenblick wie die einer Statue, aus Stein gehauen, aus Ton geformt. Er trat zu ihr, umarmte Walja und drückte sie so fest an sich, dass die Wärme ihrer Brust wie ein Blitz direkt in sein Herz fuhr.
    »Ich habe noch nicht angefangen, die Medikamente zu nehmen«, sagte sie leise und legte ihre Hände auf Igors Schultern.
    Sie standen da, umarmten sich und tauschten die Wärme ihrer Körper. Sie standen, wie es schien, nicht lange da, aber Igor merkte plötzlich, dass Waljas glatter und warmer Rücken völlig trocken war.
    »Wenn ich geheilt bin«, Waljas Flüstern drang an sein linkes Ohr, »werde ich dich bemitleiden! Versprochen!«
    Igor leerte den letzten Sekt in ihre Gläser und nahm die Schokolade aus dem Sand.
    »Soll ich dir ein Kunststück zeigen?«, fragte Igor und reichte Walja das Glas.
    »Zeig!«
    Igor warf ein kleines Schokoladenquadrat in ihren Sekt, dann eines in seinen.
    [230] »Achte auf die Schokolade«, sagte er.
    »Oh«, sagte sie fröhlich. »Schau, sie schwimmt nach oben!«
    »Sie wird so lange absinken und wieder hochkommen, bis du sie gegessen hast! Trink am besten den Sekt mit der Schokolade auf einen Schluck, aber so, dass die Schokolade im Mund bleibt!«
    Walja konzentrierte sich und kippte den Sekt auf einen Schluck. Und prustete, hustete, lachte im nächsten Augenblick, alles gleichzeitig.
    »Na, wie ist es?«, fragte Igor und näherte seine Lippen ihrer Nase.
    Sie nickte zur Antwort und schob sanft sein Gesicht mit der Hand fort. Dann öffnete sie den Mund und zeigte zwischen den weißen Zähnen das Schokoladestück. Ihre Augen lachten.
    »Bravo!«, brachte Igor heraus, und er beugte sich wieder vor zu ihrem Gesicht, als wollte er ein Stückchen von der Schokolade abbeißen, die zwischen ihren Zähnen steckte. Ihre Lippen berührten sich, und der Geschmack bittersüßer Schokolade hüllte seine Zunge ein.
    Von oben war ein Geräusch zu hören, kleine Klümpchen trockener Erde rieselten von dem Felsen herunter. Igor packte Walja bei der Hand und sprang mit ihr zur Seite, dabei sah er nach oben, wo es finster war und alles zwischen ihnen und dem Himmel in ein einziges bleiernes Dunkel zusammenfloss.
    »Da ist jemand!«, flüsterte Walja erschrocken.
    Igor schüttelte den Kopf. Ringsum war es wieder still geworden, aber ein unruhiges Gefühl blieb. Igor knöpfte sein Hemd zu, schnallte den Gürtel mit dem Halfter um und [231] wollte die Rubelpäckchen wieder in die Hosentaschen stecken, hielt aber rechtzeitig inne. Dort war alles nass. Er zog seine trockenen Socken an, setzte sich in den Sand, streifte die Stiefel über die Füße. Und stand auf, für den Rückweg bereit. Walja neben ihm hatte wieder ihr Kleid an, ihr Tuch auf dem Kopf, die weiße Tasche in den Händen und die weißen Lackpumps an den Füßen.
    Als sie merkte, dass Igor fertig angezogen war, führte sie ihn zu dem Pfad. Nicht ohne Mühe kletterten sie den rutschigen Felsspalt hoch auf den Felsen. Danach führte der Pfad am Felsen entlang ins Unterholz. Dort verharrte Walja plötzlich wie angewurzelt.
    »Da steht jemand«, flüsterte sie.
    Igor sah ihr über die Schulter und erblickte in dem schmalen Durchgang zwischen den Büschen die Umrisse zweier Gestalten.
    »Wie, Miststück, du trinkst Sekt mit der Miliz?«, erklang eine grobe, unangenehme Stimme. »Na, los, Sanja, stell mal ihr Schicksal auf die Probe! Lass die Klinge fliegen!«
    Igor sah, wie eine der Gestalten eine abrupte Armbewegung machte, und knapp vor Igors Gesicht sirrte, böse-matt blitzend, ein Messer vorbei.
    »Ich schieße!«, rief Igor und schämte sich selbst für die Angst, die in seiner Stimme schwang.
    »Und du triffst auch, ja?«, wurde aus dem Dunkel höhnisch zurückgefragt.
    Igor zog die Pistole aus dem Halfter und betrachtete sie. Plötzlich hatte er nicht einfach

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