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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Angst, sondern schreckliche Angst. Er malte sich aus, wie diese zwei jetzt gleich hörten, dass die Pistole versagte! Was würden sie dann mit ihnen [232] tun? Nein, er musste sie einschüchtern, ohne abzudrücken! Aber dafür mussten sie die Pistole sehen!
    Igor streckte die Hand mit der Pistole gerade vor sich aus, ging um Walja herum, stellte sich vor sie und tat so, als würde er zielen.
    »Du, er hat die Kanone rausgeholt«, drang ein Flüstern an Igors Ohr.
    Die kaum sichtbaren Umrisse verschwanden. Die beiden Männer, die ihnen auf dem Pfad auflauerten, waren einen Schritt zurückgetreten.
    »Hörst du, Walja!«, begann die erste Stimme wieder. »Heute Nacht komme ich bei dir vorbei! Und sehe nach, ob du mit der Miliz schläfst oder mit dem Fischer! Und dann reden wir!«
    Igor fühlte, wie Walja zusammenzuckte.
    »Noch ein Wort und ich leg dich um!«, stieß er wütend aus. Und er spürte, wie die Furcht ihn verließ.
    »Miliz redet nicht so.« Die Stimme des Zweiten war kaum lauter als ein Flüstern. »Hörst du, Fima?«
    »Ja, ja«, unterbrach ihn grob der Erste. »Warte, jetzt nehme ich mein Lieblingsmesser…«
    Walja umschlang Igor von hinten mit den Armen. Sie zitterte, und ihr Zittern begann sich auf ihn zu übertragen. Wieder spürte er das Herannahen der Furcht. Und die beiden Männer, so schien es Igor, rückten auch wieder näher. Er glaubte sie wieder zu sehen, dort, vor ihnen. Still, geräuschlos, Köpfe und Schultern geduckt, zum Sprung bereit.
    »Stehenbleiben, ihr Dreckskerle!«, schrie Igor und sah, dass er sie damit nicht aufhielt.
    Wieder streckte er die Hand mit der Pistole aus und [233] senkte den Kopf. Der Finger fand den Abzug von selbst, und ein Schuss krachte.
    Einer der beiden ächzte und fiel auf den Pfad, der Zweite blieb erstarrt neben ihm stehen. Aber gleich darauf sprang er in die Büsche, und aus dem sich entfernenden Knacken und Krachen war klar, dass er floh.
    Walja hatte sich hingehockt und weinte laut. Igor stand neben ihr und wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Sein Blick fiel auf die Gestalt, die vor ihnen auf dem Pfad lag. Er lief hin und beugte sich darüber. Das Gesicht des Mannes war blutüberströmt. Die Kugel hatte ihn direkt zwischen die Augen getroffen.
    »Los, komm!« Wieder bei Walja, packte er sie sanft an der Schulter. »Gehen wir, ich bringe dich nach Hause!«
    »Sie finden mich!«, flüsterte sie unter Tränen. »Warum bin ich mit dir mitgegangen! Ich hatte doch gesagt: Komm ohne Uniform!«
    »Hab keine Angst, keine Angst!« Igor hockte sich neben sie und streichelte ihr übers nasse Haar und die Schultern. »Gehen wir! Uns fällt schon etwas ein! Kennst du den Mann, der weggerannt ist?«
    »Fima«, stöhnte sie. »Fima Tschagin… Er wollte, dass ich ihn liebe, aber ich wollte nicht… Ich habe gesagt, ich liebe meinen Mann… Und jetzt? Was wird jetzt?«
    »Keine Angst.« Igors Stimme klang bereits sicherer. »Mir fällt schon etwas ein…«
    Er brachte sie nach Hause. Weiter als bis zum Gartentörchen ließ sie ihn nicht. Vor ihrem Haus weinte sie schon nicht mehr, nur ihre Augen verrieten den Schrecken. Igor umarmte sie zum Abschied.
    [234] »Ich habe vergessen, dir etwas Wichtiges zu sagen«, flüsterte sie Igor ins Ohr.
    »Was?«, flüsterte Igor zurück.
    »Du hast heute Morgen Grundeln gekauft und sie am Stand vergessen. Ich gebe dir ein andermal neue, wenn es einen Fang gibt.«
    Es gelang ihm, sie noch auf die Wange zu küssen, bevor sie Igor sanft wegstieß und eilig ihren Garten betrat.
    21
    Als er allein war, sah Igor sich rings um. Eine unbekannte Straße, plötzliche Reglosigkeit in der kühlen Luft, Stille und ein finsterer Himmel, der gleich hinter den kaum unterscheidbaren Umrissen der Bäume, Dachgiebel, Masten begann. Das Haus, in das Walja eintrat, reagierte nicht auf ihre Ankunft, keine Tür quietschte, kein Fenster leuchtete auf.
    In Igors Stiefeln war es nass, Wasser lief aus den nassen Hosen zu den Fußsohlen. Nur der Stoffbeutel mit den sowjetischen Hundertrubelscheinen war trocken.
    Auf seine Art war das Wasser in den Stiefeln ebenso fehl am Platz wie Igor hier, in dieser schon vertrauten Stadt, in diesem dunklen, fernen Winkel. All das, was in der Finsternis dieses Abends passiert war, hatte Igors Körpertemperatur um mindestens zwei Grad gesenkt. Er stand da, gelähmt von seiner nassen Kleidung, gelähmt von fehlender Energie, gelähmt von einer seltsamen Furcht, die ihm, als wollte sie sich über ihn lustig machen, im einen

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