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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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den Boden. Stepan schob die Päckchen ordentlich zurecht und wandte sich an die Verkäufer.
    »Also, zählen Sie!«
    Auf den Gesichtern der alten Leute las Igor den Schrecken. Sie erhoben sich beide und kamen unsicher an den Tisch. Der Mann war ebenfalls im Anzug, einem schwarzen. Seine [280] Ehefrau trug einen langen schwarzen Rock und eine dunkelblaue Weste.
    »Helfen Sie uns?«, bat der Mann den jungen Makler. »Meine Hände zittern, vielleicht verblättere ich mich…«
    Auf einmal fühlte Igor sich erschöpft. Er setzte sich auf das eben von den Verkäufern verlassene Sofa. Neben ihm sank Elena Andrejewna in das Polster und wischte sich mit einem Tüchlein den Schweiß von der Stirn. Sie sah ihren Sohn mit einem Blick an, der um Unterstützung bat.
    Igor legte seine Hand auf ihre feuchte Hand.
    Es war, als würden die gezählten Scheine ewig rascheln. Igor lauschte mit geschlossenen Augen. Bis plötzlich die Stimme des Burschen im grauen Anzug feierlich verkündete: »Sergej Iwanowitsch Kupzyn, Notar. Er wird jetzt Ihren Handel beglaubigen.«
    Igor öffnete die Augen und erblickte einen grauhaarigen Mann von etwa fünfzig Jahren, der sich gerade an den Tisch setzte. Er schob sich eine Brille mit Goldrand auf die Nase, nahm den Vertrag in die Hände und begann ihn, lautlos die Lippen bewegend, zu lesen.
    »Die Pässe, bitte«, sagte er und sah sich um.
    Stepan blickte zu Aljona, sie zog ihren Pass aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. Die Verkäufer hielten ihre Papiere hin.
    »Also, Käuferin ist Sadownikowa Aljona Stepanowna«, las der Notar feierlich aus dem aufgeschlagenen Pass. »Verkäufer sind Ostaschko Pjotr Leonidowitsch und Ostaschko Lidija Alexejewna. Bitte unterschreiben Sie!«
    Igor bemerkte, dass das Geld vom Tisch verschwunden war. Er sah sich um.
    [281] »So, das war’s, Sie können sich die Hände schütteln«, erklang die Stimme des Notars. »Der Handel ist perfekt.«
    Stepan schüttelte den Verkäufern die Hände. Ihre Mienen drückten noch immer Besorgnis aus. Der Mann im schwarzen Anzug zog einen Briefumschlag aus der Tasche und hielt ihn Stepan hin.
    »Hier sind die zwei Schlüssel vom neuen Haus und der Schlüssel fürs Vorhängeschloss am alten«, sagte er.
    »Vielleicht jetzt etwas Sekt?«, schlug ein wenig nervös der junge Makler vor.
    Auf den Sekt verzichteten alle. Die Verkäufer baten den Makler, ein Taxi zum Büro zu bestellen. Igor sah sie an, und die alten Leute taten ihm leid. Eine solche Geldsumme zu zweit mit sich herumtragen, im Taxi? Nein, er an ihrer Stelle hätte ein paar Freunde dazugeholt und wäre keinesfalls Taxi gefahren, sondern mit dem Auto irgendeines Bekannten! Allerdings, woher sollten so vorzeitliche Leute Freunde mit Autos haben? Von seinen Gedanken wurde es Igor traurig zumute.
    Der Makler erklärte Stepan und Aljona etwas über den Eintrag im Haus- und Grundstücksregister, Nachbarin Olga trat an der Tür von einem Bein aufs andere.
    Endlich öffnete der Gastgeber und offensichtliche Bewohner dieses Haus-Büros die beiden Schlösser und entließ die Gesellschaft hinaus ins Tageslicht.
    Vorm Gartentor wartete schon das Taxi. Igor musterte sofort das Gesicht des Fahrers – es erweckte Vertrauen, und Igor beruhigte sich.
    Auf Stepans Miene lag ein stilles, erschöpftes Lächeln. Seine Tochter, in irgendwelche Gedanken vertieft, ging [282] neben ihm. Olga und Elena Andrejewna, zehn Schritte hinter ihnen, plauderten im Gehen über etwas.
    »Geht ihr mal schon, ich hole euch dann ein«, sagte Stepan plötzlich, als sie auf der Höhe des Lebensmittelgeschäfts waren. »Ich kaufe etwas zum Abendessen, wir müssen den Kauf doch feiern!«
    »Ich komme mit«, erbot sich Igor. »Ich helfe tragen!«
    Stepan hatte nichts dagegen.
    Im Laden sah Igor dem Gärtner aufmerksam in die Augen. »Sie haben alles auf den Namen Ihrer Tochter gekauft?«, fragte er leise.
    »Auf ihren Pass, naja, für sie«, gab Stepan zurück. »Ich habe doch schon seit zehn Jahren keinen Pass mehr. Hab ihn verloren. Aber ich werde mir einen machen lassen. Ich weiß auch, wie. Ich schreibe der Miliz eine Verlusterklärung, und sie stellen mir einen neuen aus. Ich habe kein Sündenregister…«
    Igor nickte. Stepan wandte sich ab und musterte die Würste und den Schinken unter dem Glas der Ladentheke.
    »Na, junge Frau, stellen Sie sich auf Arbeit ein!«, wandte der Gärtner sich an die Verkäuferin.
    25
    Fürs Abendessen standen Olga, Elena Andrejewna und Aljona lange in der Küche, sie gingen

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