Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
dreihundert Meter, bis Stepan vor einem alten Holzzaun haltmachte. Dahinter standen nebeneinander zwei Häuser: ein neues, gemauertes, zweistöckiges und ein altes aus Holz, das auch gar nicht klein war, mit vor nicht allzu langer Zeit erneuertem Schieferdach.
    »So«, sagte Stepan, drehte sich um und betrachtete alle voller Stolz.
    In seiner Hand klimperten die Schlüssel. Er trat als Erster durchs Gartentor und schlug sofort den Weg zu dem neuen Haus ein.
    Drinnen roch es nach Farbe. In den geräumigen Zimmern [289] gab es keine Möbel, außer ein paar verschiedenen Stühlen. Hier und da standen Böcke, Farbeimer und Papiersäcke mit Gips herum.
    »Glück diesem Haus«, sagte feierlich, wie in der Kirche, Nachbarin Olga und legte ihr Brot in dem durchsichtigen Beutel auf ein Fensterbrett.
    Sie stiegen hoch in den ersten Stock.
    »Hier gibt es noch ein Bad mit Klo.« Stepan wies mit den Gesten eines Reiseführers auf die geschlossenen schmalen Türen. »Und das sind drei Schlafzimmer!«
    »Aber das ist ja ein Palast und kein Haus!«, sagte Elena Andrejewna fassungslos. »Hier kann man sich ja verlaufen!«
    »Wir verlaufen uns nicht«, sagte Stepan lächelnd.
    Das zweite Haus, das aus Holz, kam Igor viel gemütlicher vor. Wohl deshalb, weil es bewohnt und warm war. An den Fenstern hingen Vorhänge, und die alten Möbel, die die vorigen Besitzer zurückgelassen hatten, passten ungeheuer gut hier herein. Sogar ein Eichenbüfett stand bedeutsam und schön im Wohnzimmer. Igor hatte so ein ähnliches schon einmal gesehen. Er schloss die Augen, um sich zu erinnern, wo. Und er erinnerte sich: im Haus von Fima Tschagin, in Otschakow. Aus solch einem Büfett hatte Fima die Gläser geholt, bevor er versucht hatte, ihn, Igor, zu vergiften. Aber dort, bei Tschagin, war das Büfett Igor finster und unheilkündend erschienen, während hier Wärme und romantische Nostalgie davon ausging, familiärer Friede und Wohlergehen.
    »Und auch hier soll Glück sein!«, erklang neben ihm die Stimme Elena Andrejewnas.
    [290] Sie trat an das Büfett und legte das zweite Brot auf die Ablage zwischen dem Unterschrank und dem oberen Teil, dessen kleine Türen mit Einsätzen aus dickem Schmuckglas verziert waren.
    Auch Stepan trat zum Büfett, öffnete die linke Vitrinentür und holte eine Flasche Kognak und ein paar alte, kleine Bleikristallgläser heraus.
    »So, für mich ja nicht, aber so einen Kauf muss man begießen«, sagte er.
    Er öffnete den Kognak, verteilte ihn auf die Gläschen und trat einen Schritt zurück.
    In dem Zimmer stand ein runder Tisch mit dunkelroter, plüschiger Tischdecke, aber den Kognak tranken sie alle, außer dem nichttrinkenden Stepan, direkt am Büfett. Ein zweites Mal schenkte er nicht aus, er verschloss die Flasche und stellte sie zurück ins Büfett.
    In Igors Tasche klingelte das Handy. Das Display verriet, dass sein Namensvetter der Fotograf anrief.
    Igor ging nach draußen ins Freie.
    »Ja, guten Tag!«, sagte er. »Hat man Ihnen die Filme gebracht?«
    »Alles ist bereit, Sie können herkommen.« Die Stimme des Fotografen war wieder ungeheuer freundlich. »Die Fotos sind hervorragend! Ich finde keine Worte!«
    »Ich war ein bisschen krank«, antwortete Igor. »Vielleicht in ein paar Tagen…«
    »Ich würde gern noch einmal mit Ihnen reden.« Igor hörte den Fotografen bekümmert seufzen. »Ihnen ist da so eine Serie gelungen! Einfach fabelhaft! Das ruft direkt nach einer Ausstellung. Ich bin sicher, dass sofort alle unsere [291] Fotozeitschriften darüber schreiben würden! Wenn Sie nur zustimmen würden… Ich würde Ihnen vollkommen gratis für die Ausstellung Abzüge im Großformat machen… Und die Anzeige! Und den Katalog! Hm?«
    Igor sah sich um, betrachtete die beiden Häuser, die Bäume des alten Gartens. Sein Blick schweifte von den Baumwipfeln fort in den blauen Himmel mit den paar wenigen Wölkchen.
    »Gut«, sagte er ins Telefon und ahnte gleich darauf, wie sich das unsichtbare Gesicht seines Gesprächspartners veränderte, wie ein glückliches Lächeln es erhellte.
    »Danke! Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, und ziehe gleich heute die Großformate ab!!! Auf Wiedersehen!«
    Igor steckte das Telefon in die Tasche seiner Windjacke, lächelte und wandte sich zur Eingangstür des alten Hauses, die in diesem Moment aufging. Heraus trat als Erste Aljona. Auch sie sah sich rings um. Igor kam es so vor, als wanderte auch ihr Blick, wie gerade eben seiner, in den Himmel fort.
    Stepan und seine

Weitere Kostenlose Bücher