Der galaktische Mahlstrom
eine Weiterentwicklung aufzuhalten. Jedenfalls verringerten die Solarmächte daraufhin ihr Satellitenbudget.
Sehen Sie, wie komplex das war? Die Etatskürzung wirkte sich auf die Wirtschaft der L5-Station aus. Mehr als tausend Arbeiter wurden zur Erde zurückberufen – aber sie wollten die Station nicht verlassen. Inzwischen war die L5 ein recht angenehmer Aufenthaltsort geworden. Sie hatte eine saubere Umwelt, war nicht überbevölkert und verfügte über Erholungsmöglichkeiten, wie sie nirgendwo sonst zu finden waren. Sie hatten sogar marsianisches Terrain simuliert, zur Anpassung für Kolonisten in den neuen marsianischen Siedlungen. Die Stationsregierung wollte keinen so großen Teil ihrer Bevölkerung verlieren, darum machten sie den Verbündeten der dritten Welt ein Angebot – die inzwischen eine Menge organisatorische Schwierigkeiten hatten. Sie schlug ihnen vor, ihren L5-Körper für sie zu bauen. Ein Projekt dieser Größe würde ihnen ermöglichen, ihren gegenwärtigen Wirtschaftsstand aufrechtzuerhalten, ja sogar zu verbessern. Auch das versprach eine gegenseitig einträgliche Abmachung zu werden, hätte es nicht die politischen Umstände gegeben – die Solarmächte verboten dieses Angebot nicht direkt, fanden jedoch eine Menge Gründe, weshalb die L5 sich nicht mit der Errichtung einer Station für die Verbündeten der dritten Welt befassen sollte.
Das Hin und Her erhitzte die Gemüter beider Seiten sieben Monate lang, dann erklärte die L5-Station ihre Unabhängigkeit als eigenständige Nation. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hatten dreiunddreißig Nationen der dritten Welt formell ihre Autonomie anerkannt, und der Vertrag für die Konstruktion einer zweiten L5 wurde unterzeichnet.
Bis die Solarmächte über ihre Entrüstung hinweggekommen waren, hatten sie bereits keine Wahl mehr, als die Situation zu akzeptieren, denn die Alternative wäre Krieg gewesen – und in diesem Fall hätte die L5-Regierung den strategischen Vorteil.«
Brille kehrte zu der Aufnahme der beiden Stationen – eine vollendet, die andere noch im Bau – zurück. »Der Ausgang dieser Krise ließ alle Nationen der Erde erkennen, daß sie politischer Erpressung aus dem Raum gegenüber im Nachteil waren. Es wurde eine ziemliche brenzlige Zeit, was internationale Beziehungen betraf. Innerhalb von zwei Jahren waren, beispielsweise, nicht weniger als fünf militärische Raumstationen in Konstruktion – alle vorsichtshalber in sicherer Entfernung der L5-Station.
Nun überspringen wir ein paar Jahre. Ich werde nicht alle Ereignisse aufzählen, die dazu führten – jedenfalls zerfiel das Bündnis der dritten Welt. Schuld daran war zum Teil, daß mehrere Jahre der Dürre und Hungersnot die Mittel der Entwicklungsländer erschöpft hatten, und zum anderen, daß durch das stetige Anwachsen der Kernkraft, der Entwicklung von Hydrogen-, Methan- und Alkoholbrennstoffen, zusätzlich zu anderen Quellen wie Biomasse, Geothermen, Windkraft, Ozeanstromturbinen und so weiter – und das alles zur Sonnenenergie, der Appetit nach Erdöl drastisch gesunken war. Die Ölnationen konnten die L5-Konstruktion nicht mehr finanzieren.
Wir haben also nun eine funktionierende L5-Station und eine fast fertiggestellte. Die Solarmächte erboten sich, die zweite Einheit zu kaufen und ihren Bau zu Ende zu führen, aber die L5-Nation lehnte das Angebot ab. Sie nahm gewaltige Hypotheken auf und stellte die zweite Station selbst fertig. Wie Sie sehen, wurde so gut wie jede Entscheidung hier aus politischen Gründen getroffen. Inzwischen hatte sich fast dreißigjähriger Groll gestaut. Viele der Militärstationen waren nun in Betrieb, eine Menge Rechnungen warteten darauf, von der L5-Nation bezahlt zu werden, aber ihre finanzielle Lage war nicht die rosigste. Die Erdwirtschaft hatte einen ziemlichen Schlag erlitten – der Zusammenbruch des Kartells hatte zu einer weltweiten Rezession geführt –, und es waren einfach die Mittel nicht vorhanden für Konstruktionsprojekte, die nötig gewesen wären, die Wirtschaft der L5 gesund zu erhalten. Die L5-Nation konnte sich auch an sonst niemand im Sonnensystem um Hilfe wenden. Sie war eine stolze, ihre Unabhängigkeit liebende Gruppe, die keine Freunde mehr hatte.
Nun muß ich meine Geschichte weiterer Hintergrundinformation wegen unterbrechen – es tut mir leid, daß ich Ihre Zeit so lange in Anspruch nehme …«
»Ist schon gut«, versicherte ihm Kirk. »Machen Sie weiter, uh – Brille. Ich finde Ihre
Weitere Kostenlose Bücher