Der galaktische Mahlstrom
eine Reihe von Weltkarten um. »Das hatte natürlich seine Auswirkungen auf die energieexportierenden Nationen, die ihre Wirtschaft durch den Einnahmenverlust bedroht sahen. Solarenergie ist sauber und billig, Sonnenlicht ist kostenlos, und im Raum ist es eine ständige Quelle, man braucht es nur einzusammeln. Fossile Brennstoffe dagegen sind teuer und schmutzig. Allein das Problem der Umweltverschmutzung ist Grund genug, sie zu meiden. Jeder Sonnenenergiesatellit minderte die Abhängigkeit der Mitgliedsnationen und die allgemeine Luftverschmutzung. Drei Prozent in einem Jahr, fünf im nächsten, acht im übernächsten …«
Brille schaltete den Schirm aus. »Doch nun kam es zu einer folgenschweren Fehlentscheidung. Die Entwicklungsländer der Erde verhandelten mit den ›Solarmächten‹ über eigene Sonnenenergiesatelliten, das heißt, sie versuchten es, aber die Solarmächte lehnten es ab, Satelliten zu verkaufen. Sie erklärten sich nur zu einer Stromversorgung bereit, natürlich nicht kostenlos. Sie konnten die Energie an jeden Fleck der Erde strahlen, die der Besitzer auswählte, er brauchte nur eine Empfangsstation zu bauen, die Energie würde billig und unerschöpflich sein. Doch die Satellitenkollektoren selbst blieben in der Hand der Solarmächte.
Den Entwicklungsländern erschien dies nur ein Wechsel von einem schlechten Geschäft zum andern. Immer noch mußten sie ihren Strom kaufen, und weiterhin würde ihre Wirtschaft von der Gnade derer abhängig sein, die ihnen die Energie lieferten. Nach vielen Jahrzehnten internationaler Erpressung, der sie durch die verschiedenen Weltmächte ausgesetzt gewesen waren, betrachteten sie die Motive eines jeden voll Mißtrauen.
Die Nationen der dritten Welt hatten keine Alternative, als ein internationales Kartell zu bilden, um ihre eigene Industriestation im Raum zu errichten, die wiederum ihre eigenen Sonnenenergiesatelliten bauen konnte, da sonst die wachsende Raumindustrie für immer unter der Kontrolle der Solarmächte bliebe. Natürlich behaupteten die Solarmächte, sie begrüßten diesen Entschluß, aber das stimmte überhaupt nicht – es gab immer noch jene (auf beiden Seiten), die im Raum nur eine weitere politische Waffe sahen, mit der sie Macht über die anderen gewinnen konnten. Also bekam das Projekt der dritten Welt von den Solarmächten keinerlei Hilfe. Das war eine sehr kurzsichtige Entscheidung einiger Politiker.
Obwohl es ihnen an allem mangelte, gaben die Nationen der dritten Welt nicht auf. Sie schlossen ein Bündnis mit den Ölnationen als finanzkräftige Partner. Das war für beide Seiten ein günstiges Geschäft und ermöglichte es obendrein Dampf abzulassen, denn der Groll auf die Großmächte war beachtlich.«
Brille projizierte wieder Bilder der L5-Station, die sich nun in einem bereits ziemlich fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befand. Schiffe hatten an ihr angelegt, aber von den Kernreaktoren war immer noch nichts zu sehen, auch nichts von dem Staustrahlantriebskragen. »Es darf nicht vergessen werden, daß sich all das über einen Zeitraum von zwanzig Jahren dahinzog. Gegen Ende dieser Periode war die L5-Station eine eigenständige Stadt im Raum, ja fast eine eigene Nation. Sie hatte eine Regierung, Gerichte, Steuern und eine zahlenmäßig starke und intelligente stimmberechtigte Bevölkerung. Um auf die L5 zu kommen, mußte man entweder sehr klug oder sehr reich sein. Kluge, tüchtige Menschen konnten dort arbeiten, reiche sie als Touristen besuchen.
Trotz des legalen Status als ›kooperatives Protektorat‹ war sie eher eine kleine Demokratie, und die Solarmächte hatten im Grund genommen wenig Kontrolle über die L5-Station – wie hätten sie sie auch durchsetzen können? Aber zwei Jahrzehnte blieb der Schein erhalten, denn alles funktionierte wie am Schnürchen, und es gab keinen zwingenden Grund, irgend etwas zu ändern. Zu diesem Zeitpunkt kamen dreißig Prozent der Energie der Mitgliedsnationen aus dem Raum, und sie befanden sich in bedeutend stärkerer wirtschaftlicher Position. Die Kernenergie war endlich aus dem Planungsstadium und bot eine gute Alternative zu sowohl Erdöl als auch Sonnenenergie. Damals wurde auch die Besorgnis wach, daß die mit Mikrowellen zur Erde gestrahlte Energie mit der Zeit ungünstige ökologische Auswirkungen haben mochte. Außerdem hatten die ölexportierenden Nationen ihre Preise gesenkt, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Vielleicht hatten sie es hauptsächlich auch nur getan, um
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