Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
am dichtesten und das Gras höher als auf den anderen Wiesen war. Er würde den Abstand zwischen sich und den Wächtern vergrößern, so wie er es heute nachmittag getan hatte, und dazwischen gymnastische Übungen einlegen. Darunter auch Liegestütze. Was ihn natürlich näher an den Boden brachte und damit ans hohe Gras.
Und im richtigen Augenblick würde er, so schnell er konnte, wegkriechen, auf den Wald zu, und dann zum Zaun rennen. Aber wenn er dann den Zaun erreichte, würde er nicht darüberklettern. Statt dessen würde er seine Trainingshosen ausziehen — entsprechend zerfetzen — und sie hinüberwerfen. Und wenn dann alles so lief, wie es sollte, wenn Rudolph und Namenlos gleichzeitig in verschiedene Richtungen rannten, würde er schreien, als wäre er schwer verletzt, und dann verduften. In den dichten Wald hinein.
Rudolph und Namenlos würden natürlich zu der Stelle am Zaun rennen, die Trainingshose auf der anderen Seite sehen und ohne Zweifel angemessen handeln. Einer würde über den Zaun klettern, während der andere zum Chäteau zurückraste, um die Hunde zu holen.
Und Sam würde warten, bis er das Bellen hörte. Dann würde er nach Machenfeld zurückeilen, das Chäteau durch die Tür betreten, Kleider und eine Waffe stehlen. Und dann ein Auto in der Einfahrt, eine Pistole, um den Torwärter damit zu bedrohen — alles war ganz einfach.
So mußte es klappen. Was konnte da schon schieflaufen?
Der Hawk war nicht der einzige, der imstande war, Strategien zu entwickeln. Er würde es lernen, einem Bostoner Anwalt aus dem Weg zu gehen, der für Aaron Pinkus arbeitete.
Schreie rissen ihn aus seinen Gedanken. Er war in Sichtweite des Manövergebietes, konnte die seltsamen Straßenschilder und die Fahrzeuge sehen. Rudolph und Namenlos brüllten, er sollte gefälligst umkehren. Natürlich würde er ihnen diesen Gefallen tun. Es war ihm nicht erlaubt, die Manöver zu beobachten.
»Tut mir leid, Leute!« schrie er atemlos und kehrte um, seine Füße stampfen auf dem weichen Boden. »Laufen wir zum Tor hinunter, und machen wir Schluß!«
Rudolph und Namenlos schnitten Grimassen und erhoben sich aus dem Gras. Rudolph machte eine obszöne Handbewegung, die Sam kannte, Namenlos eine, die ihm fremd war.
Sam achtete darauf, daß sein Joggen jeden Nachmittag mit einem Lauf zum Haupttor endete. Es war eine gute Idee, das Gelände so gründlich wie möglich zu studieren und sich damit auf seine Flucht vorzubereiten. Möglicherweise würde er den Mechanismus selbst betätigen müssen, je nachdem, welcher Art die dann herrschende Panik sein würde. Im Maximalfall (wie MacKenzie es ausdrücken würde) könnte das Tor möglicherweise sogar offenstehen.
Er befaßte sich mit dieser Möglichkeit, während seine Füße über die Bohlen klapperten, die den Burggraben abdeckten, als ihn plötzlich ein Gefühl des Unbehagens erfaßte. Unten am Tor wurde gerade eine lange schwarze Limousine unter vielen Verbeugungen und untertänigem Grinsen seitens des Torwächters hereingelassen. Und als er die Worte hörte, die ihm von der Fahrerseite entgegenhallten, als das Auto in einem scharfen Bogen aus dem Torbereich auf ihn zuschoß, erstarrte er und zog in Betracht, sich im Buggraben von Machenfeld zu ertränken.
»Das glaube ich nicht! « schrie Lillian Hawkins von Schnabe, die hinter dem Steuer saß. »Sam Devereaux in Trainingshosen! Allmächtiger Gott, dann hast du also auf meinen Rat gehört. Du versuchst doch tatsächlich, in dieses Wrack, in dem du lebst, etwas Schwung zu bekommen!«
Und wenn er bei Lillians Worten in Betracht gezogen hatte,
sich zu ertränken, so trieb ihn die nächste Stimme, die er hörte, an das Geländer.
»Du siehst ganz sicher besser aus als in London!« schrie Anne aus Santa Monica, Mrs. Hawkins Nummer Vier — >Abfallend aber Argumentativ<. »Deine kleine Reise muß dir ja mächtig gutgetan haben!«
22.
Devereaux’ Fluchtplan wurde nicht verworfen wie die Strategien eins bis vier. Er wurde auch nicht übergangen, wie die Strategien fünf und sechs. Ebensowenig war der Plan in einem Sturm von Verwünschungen explodiert, wie es das Schicksal von Strategie sieben gewesen war. Er wurde nur verschoben.
Plötzlich mußte er sich mit zwei weiteren Wachen auseinandersetzen, wobei das Auftauchen der einen den Hawk ebenso schockierte, wie Sam durch das Erscheinen der beiden aus der Fassung geriet. MacKenzie gab es zu. Ganz beiläufig, ohne zuzulassen, daß es seinen Zeitplan über den Haufen warf
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