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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Buchs aufregt –, der »muß erschüttert sein«. Weller als zuständiger Lektor hatte »Vertrauen zu diesem Buch«, er hatte keine Zweifel an dessen Erfolg. »Freilich, es wird heftig angegriffen werden, aber dagegen steht Ihre leidenschaftliche Ehrlichkeit, die durch Ihre Lyrik bekannt genug geworden ist.« Weller hatte Bedenken gegen die ersten neun Kapitel, die er »geradezu erkältend« fand. Er habe »direkt aufgeatmet«, »als im zehnten Kapitel Menschlichkeit (wenigstens was man darunter verstehen möchte) in Erscheinung tritt«. Er bat um eine Erläuterung Kästners zu den frostigen Eingangskapiteln und hielt die Nachworte in dieser Phase der Diskussion noch für »sehr angebracht«. [39]
    In seinem Gutachten schrieb Weller, es handle sich um keinen »Roman im Sinne des Gattungsbegriffes«, dem Verfasser komme es darauf an, »einen Querschnitt durch die Zeit zu geben und seine Menschentypen […] schlaglichtartig zu beleuchten«. »Daß der grundehrliche Charakter Kästners dem Leser mitunter abstossende und erschreckende Situationen zumutet, ist nicht Schuld des Verfassers, sondern Schuld der Zeit. Kästner will bessern, indem er die Wahrheit aufdeckt.« Der Roman sei »Anklage grössten Stils«, ja Menetekel; ohne Zweifel hat Weller das Anliegen des Romans, ›Schrift an der Wand‹ zu sein, also verstanden. »Das Buch will nicht Dichtung sein – es will wahr sein. Man wird an der Phantasie des Verfassers keinen Trost suchen können. Es sind Beobachtungen und Erlebnisse – auch der Selbstmord Labudes und seine Ursache sind erlebt (aber genügend kaschiert).« Insgesamt sei dies ein »unendlich trauriges Buch«, das »eine heftige Diskussion erwecken« werde, einen »Streit«, und gerade dadurch werde es jedenfalls ein Erfolg sein. [40]
    Die größten Probleme hatte der Lektor, der nach Kästners Sekretärin auch der erste Leser gewesen sein dürfte, mit dem Titel. Alle Vorschläge seines Autors missfielen ihm – Kästner nannte »Saustall«, »Saustall ohne Herkules«, »Jugend im Vacuum«. Den nach Wellers Meinung besten Titel hatte Stefan Zweig mit seiner Novelle
Verwirrung der Gefühle
besetzt. Weller selbst assoziierte »Schlachthaus des Herzens, in das Europa geraten ist, Wartesaal, Provisorium … aber auch das sind noch keine Titel«. Ein Verlagsmitarbeiter, »Herr Lang«, hatte »Herz unter Null« vorgeschlagen, allzu nah am Gedichtband
Herz auf Taille
. Nach Beendigung seiner Lektüre schlug Lang dann »Fabian, die Geschichte eines Moralisten« vor. Weller teilt Kästner diesen Vorschlag bereits handschriftlich im Postskriptum seines ersten Briefs vom 10 . Juli 1931 mit, mit dem er auf das Manuskript reagiert. Der Autor selbst war mit keinem der Vorschläge so recht zufrieden. Er liebäugelte noch mit »Matthäi am letzten« ( 22 .  7 .  1931 , MB ) und »Sodom & Gomorrha« ( 28 .  7 .  1931 , MB ). Der Titel, der so hartnäckig in den Vorworten der Nachkriegs- und Werkausgaben unterstrichen wird,
Der Gang vor die Hunde
, ist bislang aus der Zeit selbst nicht belegt, ohne dass das viel bedeuten muss: Das Verlagsarchiv der DVA ist während des Zweiten Weltkriegs ebenso verbrannt wie Kästners Berliner Wohnung, die wenigen Dokumente, die sich erhalten haben, stammen aus dem Archiv der Mutter Ida Kästner in Dresden – die Dresdner Neustadt hat das Bombardement der Stadt im Februar 1945 leidlich überstanden.
    Martin Mörike, der Leiter des DVA -Bühnenvertriebs Chronos, hatte ein (nicht erhaltenes) vernichtendes Gutachten geschrieben: »Völlig unbrauchbar, war noch der mildeste Ausdruck.« ( 18 .  7 .  1931 , MB ) Curt Weller dagegen war »begeistert« von dem Buch, verlangte aber einige Ergänzungen und die Kürzung explizit erotischer und besonders drastischer Kapitel.
Der Herr ohne Blinddarm
und das erste der ursprünglich vorgesehenen Nachworte,
Fabian und die Sittenrichter
und
Fabian und die Kunstrichter
, konnten die Leser der Dreißigerjahre nur in Zeitschriftenabdrucken zur Kenntnis nehmen, das gestrichene Romankapitel erschien erstmals 1932 in einer Anthologie von Wieland Herzfelde (
30 neue Erzähler des neuen Deutschland
, Berlin: Malik 1932 ). Dem Lektor fiel außerdem die Busfahrt Labudes und Fabians durch Berlin zum Opfer, auf der sie einige monumentale Gebäude mit Spott bedachten, darunter auch das Brandenburger Tor. Kästner gab sich zwei Wochen Zeit für diese Änderungen ( 15 .  7 .  1931 , MB ): »Ich streiche die Blinddarmgeschichte und Verschiednes und

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