Der Gang vor die Hunde (German Edition)
es auch nicht so schlimm. Hauptsache, daß er gut wird. In jeder freien Minute überleg ich mir den Stoff, mache Notizen und so.« ( 10 . 10 . 1930 , MB ) Das Kapitel war Mitte Oktober fertig: »Das wird ungefähr 12 Druckseiten. Da muß ich also ungefähr noch das Zwanzigfache schreiben, bis er fertig ist. Au backe. Aber es macht mir Spaß.« ( 14 . 10 . 1930 , MB )
Als Erfolgsschriftsteller konnte er sich nicht nur auf das Manuskript konzentrieren. Er arbeitete gleichzeitig an mehreren Projekten, einen ungefähren Eindruck seines Arbeitsalltags vermittelt diese Aufzählung an seine Mutter: »Der Eine will ein Stück mit mir schreiben. Der andre einen Film. Der dritte sechs Filme. Ein vierter eine moderne Oper. Die fünfte will Texte zum Vortragen. Der sechste will wissen, ob ich ihm nicht raten kann, wie er eine Frau finden kann, die er einmal gesehen hat und von der er nur weiß, wie sie aussieht. Die siebente will wissen, ob sie richtig gewählt hat, als sie kommunistisch wählte. Achtens trink ich bei Hans-Alexander Löhr ( 8 Jahre) und bei seiner Schwester Ruth ( 9 Jahre) Kaffee – er hat mir wegen des ›Emil‹ mehrfach geschrieben, weißt Du.« ( 14 . 10 . 1930 , MB ) Löhr spielte den ›kleinen Dienstag‹ in der ersten
Emil-
Verfilmung, die 1930 / 31 in den Studios der UFA erarbeitet wurde, die Uraufführung fand im Dezember 1931 statt, mit einigen Querelen um das ursprüngliche Drehbuch von Billy (damals noch Billie) Wilder. Kästner war mit Löhr befreundet und traf ihn auch später während der NS -Zeit. »Als er in das wehrpflichtige Alter kam, konnte es nicht ausbleiben, daß er dann sehr bald nach Rußland kam und dort ist er (…) gefallen.« (B, S. 513 )
Und so geht es weiter in diesem nicht nur renommierenden Brief. Kästner ging zudem regelmäßig ins Theater und pflegte seine zahlreichen Freund- und Liebschaften; man hat den Eindruck, seine Uhren tickten in dieser Zeit anders als die der anderen Menschen. Im November 1930 stand sein Rohmanuskript im 5 . Kapitel, er begann, den Anfang Elfriede Mechnig zu diktieren ( 11 . 11 . 1930 , MB ). Ursprünglich sollte der Roman 25 Kapitel umfassen. Am 20 . Mai 1931 war er mit dem 15 . Kapitel fertig und immer wieder auch auf Recherche in der Großstadtkulisse Berlin: »Ich renne viel im Norden und Osten herum, da ich das für den Fortgang brauche.« ( 20 . 5 . 1931 , MB ) Anfang Juni war das 20 . Kapitel fertig ( 3 . 6 . 1931 , MB ), zwei Tage später und in der Mitte des 21 . Kapitels unterbrach er die Arbeit, um
Pünktchen und Anton
einzuschieben ( 5 . 6 . 1931 , MB ). Die Verlegerin seiner Kinderbücher, Edith Jacobsohn, wünschte sich den Titel pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1931 ; angeregt von einer Zeitungsnotiz schrieb Kästner das ganze Buch innerhalb von zehn Tagen nieder, wahrlich ein genialisches Tempo. Am 18 . Juni setzte er den
Fabian
mit dem 21 . Kapitel fort, in dem Fabian mit Berlin abschließt und sich mit dem Zug in die Richtung seiner Herkunftsstadt begibt – Kästner saß lange daran, »ein schwieriges Kapitel« ( 24 . 6 . 1931 , MB ). Eine Woche gab er sich für den restlichen Text, bedrängt von der Schreckensnachricht, dass Hermann Kesten und Ernst Glaeser »genau denselben Roman« schrieben, »vom arbeitslosen Akademiker in Berlin!« ( 18 . 6 . 1931 , MB ). Es war ihm wichtig, dass sein Buch vor Kestens Roman
Glückliche Menschen
( 1931 ) erschien; Glaesers
Gut im Elsaß
( 1931 ) hatte dann doch ein ganz anderes Thema.
Ein exaktes Schluss-Datum ist aus Kästners Korrespondenz nicht zu belegen; am 25 . Juni 1931 schrieb er seiner Mutter, er sei bei »Kap. 22 , also gleich fertig« ( 25 . 6 . 1931 , MB ). Der DVA -Direktor Gustav Kilpper wollte während seines Urlaubs, in der zweiten Junihälfte, über die Annahme des Romans entscheiden. Kästner scheint noch vor Ende Juni mit dem Rohmanuskript fertig gewesen zu sein, und obwohl er über die »furchtbar langweilige Arbeit« ( 20 . 6 . 1931 , MB ) des Diktierens klagte, äußerte sich sein Lektor Curt Weller schon am 10 . Juli über das vollständige Manuskript; etwa zehn Monate hat das Schreiben also gedauert, mit allerlei Nebentätigkeiten.
Scharmützel mit der DVA
Curt Weller beglückwünschte Kästner »aufrichtig und von ganzem Herzen« zu seiner »ersten grösseren epischen Arbeit«. Wer nicht »an dem Geschehen hängen bleibt« – das sollte wohl heißen: wer sich nicht über die Provokationen des
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