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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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schützenden schwarzen Kameraden. Man bildete einen Interessensverband. Davon hatte es im Lauf der Jahrzehnte viele gegeben, viele davon längst aufgelöst und inzwischen nur noch ein Gerücht. Die Unterstützungsnetzwerke der schwarzen Polizisten, in Kellern abgehaltene Treffen, um Ressourcen zu bündeln und Verstimmungen loszuwerden, unter dem Deckmantel der Geselligkeit aber auch Versammlungen, um dieFrauen zusammenzubringen und Auszeichnungen für herausragende Dienste vergeben zu lassen, ähnlich den Freimaurerlogen. Grundsätzlich immer, um die Isolation zu lindern. Die Einsamkeit.
    Diese Verbände aus Vergangenheit und Gegenwart boten einige sehr seltsame und geheimnisvolle Namen auf, die Douglas Lookins wie Flüche ausstieß: die Zenturionen, die fast schon mythischen Wandering Boys und später die Buffalo Soldiers. Vor allem aber die Guardians Association. Die einzige Gilde schwarzer Cops, die vom NYPD nicht nur toleriert, sondern sanktioniert wurde und daher die langlebigste mit dem größten Wirkungsbereich wurde. So fühlte sich Douglas Lookins, der die Mitgliedschaft so lange wie möglich verweigert hatte, als hochdekorierter Streifenpolizist und Mitglied des armseligen Häufchens schwarzer Lieutenants irgendwann gezwungen, bei den Guardians ein Ehrenamt zu übernehmen. Er ließ die Festzeremonie über sich ergehen, akzeptierte den Posten und kehrte dem Verband den Rücken.
    Warum? Was war denn so falsch daran, wenn ein angeschlagener Negerpolizist Trost bei seinesgleichen suchte?
    Folgendes: Drei Viertel aller schwarzen Cops hatten Dreck am Stecken. Zahlen laut Douglas Lookins; überprüfen sollte sie jeder selbst. Leistete man also den Guardians Gefolgschaft, stand man für eine Brüderschaft der Omertà mit Hunderten von Brothers ein, die die Hand aufhielten. Douglas Lookins nahm den Dienstgrad, den er erreicht hatte, äußerst ernst und akzeptierte, dass er den hohen Tieren Rede und Antwort stehen musste, vor allem dem stellvertretenden Polizeipräsidenten, der ihn eine Woche nach der Beförderung aufgesucht hatte. Der Kaffee auf dem Schreibtisch war noch nicht abgekühlt, da wollte er schon Namen hören.
    Ein weißer stellvertretender Polizeipräsident und Douglas Lookins’ unmittelbarer Vorgesetzter.
    Beim Hochseilakt zwischen einem Himmel des Misstrauens und einem Abgrund der Verachtung konnte sich das Hochseil einem in jenen Tagen als Schlinge um den Hals legen, wenn es aus schwarzenKollegen bestand, die sich unter der Schirmherrschaft der Guardians an die schmutzige Schweigepflicht hielten.
    Eine Woche, nachdem er es in Harlem zum Lieutenant gebracht hatte, indem er die Kriminalität Schwarzer gegen Schwarze bekämpfte, Jungen den Hintern versohlte, damit sie sich keine Vorstrafen einhandelten, Streikposten der Black Muslims auf löste, die das Gebäude der Amsterdam News abriegelten, Bürgermeister Wagner zum Wahlkampffototermin der New York Post eskortierte, neben dessen großem Kopf der eigene noch größer wirkte in einem Meer schwarzer Jugendlicher, denen er zur Hälfte das Fell gegerbt hatte und vermutlich wieder gerben würde, indem er sich in mühevoller Kleinarbeit in der Community hochgearbeitet hatte, wo sich Rang und Ansehen danach bemaßen, welche Flutwellen an Menschen die Straßenseite wechselten, wenn seine hochgewachsene, zugeknöpfte Wächtergestalt des Weges kam – eine Woche also nach der Beförderung gab er ein paar Namen preis, wurde im Gegenzug nach Sunnyside versetzt, verbrachte seinen Streifendienst fortan damit, irische Jugendliche zu verdreschen, die sich mit Schraubenziehern an Automaten zu schaffen machten, und hörte auf Schritt und Tritt das bühnengeflüsterte Nigger.
    Aber scheiß drauf, das Revier stand hinter ihm, er hatte seinen Tribut entrichtet. Sollten sie doch jeden einzelnen Kaugummiautomaten von hier bis zur Whitestone Bridge ausweiden und einander auch gleich, wo sie schon mal dabei waren.
    Das Kind brauchte Jahre, bis es verstand, dass sein Vater nicht der einzige saubere schwarze Polizist in der Geschichte des NYPD war.
    Und noch ein paar Jahre mehr, bevor ihm aufging, dass auch Douglas Lookins vielleicht keine ganz reine Weste hatte, dass unter all der Rechtschaffenheit ein Fitzelchen schuldbewusster Überkompensation schlummerte. Aber das ging nie über die Frage hinaus, ob seinem Vater mal ein Bündel Scheine zugeworfen worden war, das er nicht sofort zurückgeworfen hatte.
    Der Junge brauchte Jahre, um sich das alles überhaupt

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