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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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Präsidiumsmitgliedern der Guardians. Alle wie aus dem Ei gepellt, doch ihr Tisch schien vom Trübsinn laminiert, weil Douglas Lookins’ Verärgerung Schatten warf, wieder hierhergeschleift worden zu sein und dann auch noch von seinem verweichlichten Söhnchen, das ein Almosen erhielt. In welch eine Falle er da getappt war! Sein ganzes Leben war eine einzige Falle geworden: die Frau starb, die Mauscheleien in Queens stellten sich genauso als ethnische Vetternwirtschaft heraus wie alles, was ihm in Harlem begegnet war, und seine besserwisserische Exgeliebte, der er die Förderung des Kindes überlassen hatte, bestätigte jeden Argwohn, den er je gegen die unheilbar verqueren Schattenseiten kommunistischer Überzeugungen gehegt hatte. Er hatte gesagt Hilf ihm bei der Suche nach Schachbüchern und hatte einen Jungen zurückbekommen, dem man erstklassige Sitze beim Baseball besorgen konnte, und wenn man sich gerade auf den Spielbeginn freute, fragte er einen, ob man James Baldwin gelesen habe. Diane, Douglas und der Rest ihres Tischs waren im Vergleich zum Jubel und Trubel um sie herum so stumm und bräsig wie niederländische Bürger.
    Ganz hinten sah er Rose Zimmer, unverkennbar, da nur drei weiße Gesichter im Saal verstreut waren. Sie ließ sich die Chance nicht nehmen, den Triumph ihrer Tätigkeit zu sehen, hatte einen staatsbürgerlichen Gefallen eingefordert und ihre Beziehungen spielen lassen – für eine Frau, die Douglas Lookins für einsam und geschmäht hielt, eine im Verrat des Jahres 1956 eingefrorene Miss Havisham, konnte Rose Zimmer durchaus die vielfältigsten Beziehungen spielen lassen und das Rolodex der ihr zu Dank Verpflichteten laufend aktualisieren. Siehatte zweifellos ein Wie-geht-es-Ihnen in ihre Schreibmaschine gehämmert und Zutritt erlangt. (Noch dazu Zutritt als Weiße. Man stelle sich eine geheimnisvolle Negerlady vor, die beim irischen oder jüdischen Pendant eines solchen Sippenfests um Einlass ersucht hätte.) Da saß sie also, machte Gott wusste was für Smalltalk an ihrem Tisch und strahlte brüllend stumm ihre besitzergreifende Ersatzwertschätzung in Richtung Cicero aus. Konnten Douglas und Diane die Richtung seiner Blicke einschätzen und merkten sie, dass er über ihre Köpfe hinweg Rose applaudieren sah? Bei seiner Kassenbrille war das eher unwahrscheinlich. Wussten sie, dass sie da hinten saß? Garantiert. Wie hätten sie das übersehen sollen?
    Tag der ersten und der letzten Male. Es war der letzte Tag, an dem Cicero Lookins, der bald schon verlorene Sohn, der siebzehnjährige Klassenüberspringer auf dem Sprung an die Ivy League, sich einbilden konnte, die Gratulationen seines Vaters für diese oder spätere Leistungen wären etwas anderes als hauchdünne Kaschierungen des Abscheus. Denn als Cicero seinen fuchsteufelswilden Vater sah, verstand er, dass das nicht nur daran lag, dass er gezwungen worden war, sich unter die Guardians zu mischen. Cicero verstand, dass sein Körper und seine Persönlichkeit, dass er, Cicero, seinen Vater anekelte. Ihn immer anekeln würde. Ciceros Intelligenz, seine Leistungen, die Anerkennung durch dieses Stipendium, seine Zulassung zu einer Uni, an der seine weißen Klassenkameraden sich nie auch nur zu bewerben getraut hätten – nichts davon beschwichtigte den Ekel seines Vaters. Das alles machte ihn nur noch schlimmer. Ciceros Brillanz und die dämmernde Kühnheit seiner Fragen und seiner Skepsis bewirkten nur, dass sein Vater die Abweichungen seines Sohns nicht als Facette der Unterentwicklung ansah, als bemitleidenswerten Aspekt des bemitleidenswerten Anblicks eines Jungen, in dessen Entwicklung leider etwas schiefgegangen war, sondern als etwas, das mit der intellektuellen Schnoddrigkeit zu tun hatte und von ihr bestärkt wurde, die Cicero zunehmend an den Tag legte. Seine Eigenwilligkeit war integraler Bestandteil einer Scheiße, die aus einer fünften Kolonne von DouglasLookins’ eigener Vaterschaft stammte und die Douglas partout nicht durchgesetzt wissen wollte.
    Cicero wusste, dass er auch seine Mutter anekelte. In den Monaten, bevor sie dann aus diesem Tal der Tränen floh, schon umklammert von den letzten Gnaden des Wolfs, war Diane Lookins’ Fassade Cicero und sich selbst gegenüber abgebröckelt. Sie konnte den Ekel, den sie in Bezug auf ihren Sohn stellvertretend erworben hatte, nicht mehr verhehlen. Cicero ekelte sie an, weil er seinen Vater anekelte, wie sie von ihm schon axiomatisch enttäuscht gewesen war, weil er Douglas

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