Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

eine Situation, in der eine gewisse Besonnenheit gefragt ist, die Fähigkeit, sich auf die Bevölkerung vor Ort einzustellen, und in vielen Fällen geht es gerade um die Bereitschaft, nicht ›an vorderster Front‹ stehen zu wollen. Man muss eher bereit sein, die Führung den schwarzen Direktoren im Felde zu überlassen, ja sich vornehmlich sogar auf das Anhören derer zu beschränken, denen man im Feld begegnet.«
    Schwarz oder weiß, ein klassischer Bürokrat im Werden. Ein Eierkopf. Sie konnte es sich nicht verkneifen, ihn ein bisschen zu triezen. » Feld ist in diesem Fall ein komischer Begriff, finden Sie nicht auch?«
    »Nein, das finde ich überhaupt nicht komisch.«
    »Hören Sie, ich habe die verschiedensten Entbehrungen durchgemacht, zuletzt in illegal besetzten Wohnungen, und faktisch mein Leben lang das Klopfen von Nazis und FBI an der Tür fürchten müssen, die, wie mir beigebracht worden ist, letztlich sowieso ein- und dasselbe sind. Ich habe mehr Versammlungen besucht – und zwar die erstenschon vor meiner Geburt –, als Sie sich überhaupt vorstellen können. Was die Fähigkeit des Zuhörens angeht, betrachten Sie gerade ein riesiges Ohr auf Beinen, wie aus einem Monsterfilm. Es gibt niemanden, der mehr zugehört hätte als ich.«
    Er sagte nichts.
    »Was ist?«
    »Ich frage mich, ob Sie uns sonst noch etwas mitteilen wollen.«
    »Ich kann Ihnen nützlich sein, darauf läuft das hinaus.«
    »Ich bewundere Ihr Selbstvertrauen. Für diese aktuelle Sache ist es jedoch unabdingbar, dass man sich nicht ablenken lässt und in einem bestimmten Umfeld aufgehen kann.«
    »Liegt es an meinem Nachnamen?«
    »Wie bitte?«
    »Mein Mann ist ein berühmter Sänger. Hat man bei CORE Angst, die Reaktionäre könnten herausbekommen, wer ich bin?«
    »Ach so, ich verstehe.« Rascoe blätterte im Dossier. »Ich verstehe Ihre Sorge, aber nein. Ich finde keinen Hinweis darauf, dass das das Problem sein könnte.«
    »Er hat ein paar Songs geschrieben, in denen natürlich auch Mississippi vorkommt.«
    »Ich bin mit seinem Werk nicht vertraut.«
    »Wissen Sie, wer Reverend Gary Davis ist?«
    Er starrte sie ausdruckslos an.
    Miriam fragte sich trotzdem, ob es besser gewesen wäre, als Miriam Zimmer zu kommen. Ohne den Namen preiszugeben, der ihren Rang in der fundamentalen Allianz von Negern und Juden preisgab. CORE nahm doch überall Juden auf.
    »Sie haben ein Problem erwähnt«, sagte sie.
    »Wie bitte?«
    »Worum handelt es sich dabei? Bei dem Problem. Ihr Wort, nicht meins.«
    Hüsteln. »Mrs. Gogan, es handelt sich dabei um unbesonnenes Prahlen mit gewissen Familienverhältnissen. Eine Liaison Ihrer Mutter.«
    »Liaison?«
    »Ihrer Mutter. Ein gewisser übertriebener Stolz. Der sich mit der von uns hier anvisierten Arbeit nicht recht verträgt.«
    »Ich bin perplex.«
    »In einem Brief ist es eben erst wieder zur Sprache gekommen.«
    »Wow.«
    »Sind Sie mit dem großen Tabu vertraut, dem großen Mythos, mit dem wir in dieser Region zu kämpfen haben?«
    »Als nächstes sagen Sie mir, Menschen wären schon für weniger gestorben, stimmt’s?«
    »Genau.«
    Miriam erkannte plötzlich, dass jede Ausdehnung ihrer überzeugungskräftigen Persönlichkeit in diesem kleinen Büro unter diesen Umständen missverstanden werden musste. Gerade wo es so gut zu laufen schien, ging alles in die Hose. Sie hatte nur eine einzige Stunde Schauspielunterricht genommen, aber in deren Jargon hätte es geheißen, dass sie »groß« aufgetreten war, wo »klein« verlangt war. Rascoes Rechtschaffenheit enthielt ein gerütteltes Maß an Widerwillen.
    »Nur um das klarzustellen.« Ihre Anhörung war gescheitert, aber mit ihm war sie noch nicht fertig.
    »Ja?«
    »Sie sagen Ihren Mitarbeitern da unten allen Ernstes, Sex zwischen Negern und Weißen sei ein Mythos?«
    —
    College Football: Bowl Games. Die Gegenwart konnte Miriam erstmal unbeaufsichtigt lassen.
    Matusevitch $ 235 Gogan $ 45 Stone $ 215
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    Rose Angrush Zimmer. Ihre zweite imaginäre Kategorie besteht aus nichts weniger als Miriams lebenslangem Forschungsgebiet. Mit wem schläft Rose Angrush Zimmer? Mit Douglas Lookins, Police Lieutenant. Sind sie verheiratet? Ja, aber nicht miteinander. Mit wem ist Rose Angrush Zimmer verheiratet? Ihr erster Mann hieß Albert Zimmer. Wurde die Ehe nicht geschieden? Sie wurde geschieden. Lebt er noch? Albert Zimmer lebt heute in Ostdeutschland. Vir vürden diese Angelegenheit lieber diskret behandeln, jah? Jawoll! Nach der Scheidung von