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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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Bibliothek und die Bürgerpatrouille engagierte, desto unmöglicher und unverzichtbarer wurde sie. Sunnysides ureigenste Wasauchimmer. Vorsicht, sie kommt. Wappnet euch für einen Vortrag in Staatsbürgerkunde. Vermeidet Abfall und Anspielungen auf den Sputnik.
    Der Blick des schwarzen Hünen ging ihr durch und durch, sie blieb mitten im Satz stecken und fühlte, dass sie wieder eine Frau war. Das ganze närrische Gedränge im Saal hätte sie in diesem Augenblick nackt sehen können – sie fühlte sich als würde sie es. Sein Blick räumte mit einem Schlag eine ganze Reihe von Hürden aus dem Weg. Douglas war Soldat gewesen und trug seine Polizeiuniform militärisch sauber und militärisch flott. Rose erkannte gleich, dass sie jahrzehntelang die Hysterie kultiviert hatte, die US -amerikanische Obrigkeit würde ihre Treffen infiltrieren, ihre Reihen infiltrieren, und empfand es als eine ungeheure Erleichterung, einen Vertreter dieser Obrigkeit unverkleidet zu sehen, in Uniform, und von ihm mit einem einzigen Blick gesagt zu bekommen, dass er wusste, dass sie eine rote Socke war. Dabei gehörte die Obrigkeit, die Rose hetzte, zu ihren eigenen Reihen und schärfte ihr auf Schritt und Tritt ein, sie wäre nicht rot genug, weil sie nicht das volle Programm des sowjetischen Schmonzes mitmachte. Und Douglas Lookins bestätigte das alles mit einem einzigen Blick: Sein Appetit sagte, dass sie noch eine Frau war, und sein Ekel sagte, dass sie noch eine Rote war.
    Alle hielten es für eine Affäre zwischen Jüdin und Neger, dabei war es eine Affäre zwischen Kommunistensau und Bulle.
    Zwei rivalisierende Organisatoren im selben Revier, auf demselben Pflaster.
    Albert hatte ihr zu erklären versucht, es sei eine Schande, im Krieg zu den Nichtkämpfenden zu gehören, und sie hatte ihn angefunkelt,weil er nicht kapierte, wie männlich und ehrenhaft der Pazifismus war. Und jetzt liebte sie einen Mann in Uniform.
    Hätte Carl Sandburg einen sechsbändigen Douglas Lookins geschrieben, dann hätte sie den nicht nur gelesen, sondern ihm in ihrer Diele einen Schrein errichtet.
    Aber Douglas Lookins hatte zu Hause Diane Lookins und Cicero Lookins. Pech gehabt, Rose. In der Angelegenheit glich er einem Soldaten, diente ohne Wertung und gehorchte dem Pflichtgefühl, denn der Geist der Ehe hatte schon Jahre zuvor das Weite gesucht. Rose war es untersagt, Diane Lookins kennenzulernen. Sich auch nur nach ihr zu erkundigen, nachdem schon der ersten Runde ihrer Fragen nur knappe Auskünfte beschieden gewesen waren. Und Douglas Lookins lernte Miriam Zimmer nur flüchtig kennen, denn diese war immer seltener zu Hause, verpachtete sich an Küchentisch und Keller der Himmelfarbs, die Pausenhöfe und Eisdielen und schließlich an Greenwich Village und andere Orte, die noch jenseits ihres Erfahrungshorizonts lagen. Miriam hatte die Kraft, es ihrer Mutter ins Gesicht zu schleudern und ihr gleichzeitig die Informationen vorzuenthalten, was das eigentlich bedeutete.
    Douglas Lookins bekundete nur minimales Interesse. Er hatte keinen Bedarf daran, einen weißen Teenager zu beaufsichtigen, den es in die Bohème zog. Er war nicht auf der Suche nach einer zweiten Familie.
    Rose Zimmer dagegen lernte Cicero Lookins sehr gut kennen. Douglas machte die beiden in der Bibliothek miteinander bekannt, mit Absicht, denn er wusste, an welchen Tagen Rose dort als Ehrenamtliche Schülernachhilfe gab. Er stellte den pummeligen Cicero als spezielles Problem für die Expertin vor Ort vor: Hier war ein Junge, der dringend Bücher brauchte. Hör zu, Junge, die Dame erklärt dir, wie der Laden hier läuft. Es war weder eine Geste der Nähe zwischen den Liebenden noch die Auferlegung einer Bürde, sondern gesunder Menschenverstand. Im Haushalt der Lookins war ein Kind aufgetaucht, das einen Geist mitbrachte, den die eigene Mutter nicht ausloten konnte.Und sein Vater hatte auch kein Glück. Schon bald sah es so aus, als wäre das der eigentliche Zweck der Affäre, als hätte Douglas Lookins unbewusst genau dies herbeiführen wollen. Jede einzelne Facette von Roses trotzigem Idealismus konnte herangezogen werden, um dem Intellekt des Jungen unter die Arme zu greifen.
    Hier war das, was Abraham Lincoln die ganze Zeit von ihr gewollt hatte.
    Sie konnten mit Gleichberechtigung und Bürgerrechten anfangen, und später würde sie ihn mit Arbeit und Kapital bekannt machen.
    Genau genommen vollzog sich die Revolution im Geheimen unter der Haut des verratenen Jahrhunderts. Eine

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