Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
Operation – und zwar eine dialektische –, an der erst zwei und dann drei Menschen beteiligt waren, die verschiedene Hautfarben hatten und scheinbar gegensätzlichen Weltanschauungen anhingen.
1954 – 62. In diesem Fall bezeichnete das Enddatum auf dem Grabstein das letzte Mal, an dem Rose und Douglas zusammen ins Bett gegangen waren, was in den letzten Jahren ihrer Beziehung – Roses Wort, die der anderen konnte man vergessen – nur noch selten der Fall gewesen war, manchmal in monatelangen Abständen. Rose hatte weniger das Gefühl, er würde sich von ihren Reizen abkehren, die langsam nachgaben und verschwammen, oder seinem Appetit entsagen, für den das gleiche galt, sondern eher, er würde rückwärts von ihr fortsinken, in das Gewicht seiner eigenen Fußstapfen. Würde in die korrekte Rolle seines Lebens sinken, eine Verantwortung wie Treibsand, in dem er im Lauf von Jahrzehnten versank. Diane Lookins war krank. Krank ohne das Drama des Todes, nur ein langsamer Verfall, eine Beschleunigung der Sterblichkeit, die sie alle überholte. Lupus. Rose erfuhr den Namen ihrer Krankheit nicht von Douglas, sondern von Cicero und wusste, dass Douglas den Begriff nicht aus Mitleid, sondern Ehrgefühl heraus verschwiegen hatte. Weil er Rose gegenüber nicht das Unwiderlegliche ins Feld führen wollte: eine kranke Frau.
Rose ließ ihn fortsinken.
Rose klammerte sich an Cicero.
Rose wurde immer mehr zum Fluch des Vorstands der Queensboro Public Library. Eines schönen Tages, witzelte man dort, würde man sie aufnehmen müssen, einfach um sie zum Schweigen zu bringen.
Rose wetterte gegen Miriam. Sie, die Rose, genau wie Douglas, immer mehr allein ließ. Sie, für die Rose, anders als für Douglas, eine Stimme fand, mit der sie wettern konnte. Sie schalt, wie ihre Mutter mit ihr gescholten hatte, nur aus dem Jiddischen übersetzt.
Rose hatte nie so geliebt und sollte nie wieder so lieben.
Und dann kam der dritte und letzte von Roses Nachkriegs- und Nach-Albert-Gatten, oder der vierte, wenn man Lincoln mitzählte. Der, den Miriam nach Hause mitbrachte. Roses Schicksal war das ihres ganzen Geschlechts, soviel war ihr klar. Die geschiedene Mutter eines Einzelkindes, die diesem eine männerlose Kindheit verschafft hatte, einer solchen Mutter blieb, wenn sich die Tochter hinauswagte und selbständig einen Mann mit zurückbrachte, gar nichts anderes übrig, als mit dem Schwiegersohn eine Art Ehe einzugehen. Der Schwiegersohn konnte nicht einfach nur akzeptiert und toleriert werden – in den Seelen sowohl der Mutter als auch der Tochter musste er insgeheim mit der Mutter verheiratet werden. Nicht weil die Mutter ihn begehrte, obwohl vielleicht auch das, sondern weil die Tochter es in einem unbewussten Akt der Wiedergutmachung forderte. Die Mutter war ein Problem, das gelöst werden musste. Deiner ist dir weggelaufen, Rose, aber das hab ich in Ordnung gebracht. Meiner läuft nicht weg. Du kannst aufhören, den Eismann mitzubringen oder die Nachbarn mit Douglas wütend zu machen. Es war ein Abschluss. Das gescheiterte Vorhaben der Mutter wurde versiegelt und vergeben. Ich habe dir einen nach Hause gebracht, Rose.
Und so wurde sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Der irische Folksänger wurde nie um ein Vorsprechen gebeten, wurde nie als ein Junge mitgebracht, der auch verschmäht werden könnte, als bloßes Date. Als Rose Tommy Gogan erstmals zu Gesicht bekam, war sie informiert worden, sie solle kochen, denn Miriam würde jemand Besonderes mitbringen, und Rose verfiel dem Zauber, hielt sich ans Drehbuch, deckteden Tisch und bereitete ein Abendessen zu. Ein absurder Befehl, der zu hundert Prozent befolgt wurde. Sie zerbrach sich den Kopf, was sie anziehen und wie sie sich verhalten sollte, färbte das Grau an den Schläfen schwarz, was sie erst kurz zuvor gelernt hatte. Miriam kam allein, eine halbe Stunde vor ihrem Gast. Bei der gemeinsamen Zigarette auf der Küchentreppe – Rose und Miriam konnten plötzlich zugeben, dass sie beide heimlich rauchten – schob Miriam jeder Möglichkeit ihrer Mutter, den Ablauf des Abends auch nur im geringsten zu modifizieren, einen Riegel vor.
»Mutter, ich habe den Mann kennengelernt, den ich heiraten werde.«
»Verstehe.« Rose durchschaute diesen Satz zu Recht als Motto, als flatterndes Banner. Bei diesen Worten gab es kein Wenn und Aber. So wie Miriam sie aussprach und ins Gedächtnis einbrannte, die eigene Trotzhaltung als Jubel verkleidet, war die Frage nur, was Rose
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