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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Männer tauchten wieder auf. Aber dann veränderte sich die Atmosphäre, die Fröhlichkeit versiegte, es gab nur noch Versammlungen, bei denen mit gerunzelter Stirn über die sich ständig verschlechternde Lage geklagt wurde. Zuerst wurden die Krankenhausärzte verhaftet, weil sie versucht hatten, die Bedingungen für Patienten zu verbessern, nach ihren Hinrichtungen brachen Schülerproteste aus, und schließlich griff das National Freedom Movement, von Exil-Somaliern in London gegründet, zu militärischen Mitteln, um die Diktatur zu stürzen. Seitdemwirft das Hotel einen unheilvollen Schatten über die Straße. Tagsüber schleichen wenig diskret Spione um das Gebäude herum, die des Nachts zurückkommen und mit vorgehaltener Waffe Gäste wegschleppen; das Hotel ist ein geheimnisvoller Ort geworden, an dem man beinahe das Ticken einer Bombe zu hören vermeint.
    Kurz nachdem Maryam gegangen ist, kommt Dahabo geschäftig hereingerauscht und trägt wieder einen bedeckten Korb vor sich her. Sie lässt den Korb auf den Metallstuhl plumpsen, und die zerfaserte Rattansitzfläche biegt sich unter seinem Gewicht.
    «Kannst du mir bitte ein Glas Wasser geben?»
    «Vergiss Wasser, du brauchst Milch, damit du wieder zu Kräften kommst.» Mit einer raschen Bewegung nimmt Dahabo das Tuch vom Korb. Als Erstes greift sie nach einem gelben Plastikkanister, der eigentlich für Benzin gedacht ist, in dem Nomaden aber nun Kamelmilch in der Stadt verkaufen. «Fang damit an. Ich hab auch Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch hier drin.» Sie gießt die dünne Milch in ihren schwarzen Thermosbecher und reicht ihn Kawsar, die rümpft die Nase, bevor sie die Tasse zum Mund führt. Sie ist unglaublich durstig, verabscheut aber Kamelmilch; sie ist so sauer und schaumig und kommt ihr beim Trinken beinahe wieder hoch.
    «Ka laac!
Trink ganz aus!»
    «Ich versuch’s ja.» Kawsar schlürft die letzten grässlichen Tropfen, bevor sie ihrer Freundin die Tasse umgedreht wieder hinhält.
    «Komm her, du Baby.» Mit dem Handrücken wischt Dahabo den Milchschaum von Kawsars Oberlippe.
    «Oh, deine armen Kinder. Du hast eine harte Hand.» Kawsars Haut brennt nach der Berührung. Noch hat sie nicht in den Spiegel geschaut, aber die Prellungen sind immer noch schmerzempfindlich.
    «Wenn’s sein muss, ist sie sanft.»
    «Dieser Arzt aus Russland, Hassan Luugweynes Sohn, sagte, ich hätte eine gebrochene Hüfte und ein gebrochenes Becken.»
    «Möge Allah ihm das Becken, die Hüften und die Beine brechen, was weiß der schon! Ich bringe dich zu Musa, er wird deine Knochen wieder zusammenfügen. Erinnerst du dich, als meine Waris vom Berg stürzteund die ganzen Idioten sagten, sie würde sterben? Wer außer Musa Knochenheiler hätte gewusst, wie man sie ins Leben zurückholt?»
    «Das werden wir ja dann sehen. Aber inzwischen bringt der Schmerz mich um.»
    Dahabo greift wieder in ihren Korb, in dem sich Äpfel, Bananen, Datteln, Flaschen und etikettenlose Fläschchen türmen. «Hier habe ich etwas, was gegen den Schmerz hilft, aber es ist sehr stark. Nimm nicht zu viel davon, verstanden?»
    «Was ist das?»
    «Etwas Besonderes, frag nicht so viel, es wird helfen, vertrau mir.»
    «Gib her.»
    Eine Plastiktüte mit harmlos aussehenden Rindenstückchen fällt Kawsar in die Hand.
    «Immer bloß zwei Stück auf einmal kauen.»
    Kawsar gehorcht. Die Rinde ist weich in ihrem Mund; sie ist geräuchert worden und schmeckt leicht nach Zimt. Als sich die Stückchen auf ihrer Zunge auflösen, kann sie sich förmlich den Dreck vorstellen, der an ihnen haftet.
    «Ruh dich jetzt aus. Ich komme morgen wieder …»
    «Bismillah
, mach kein Theater. Geh und kümmere dich um deine Familie.»
    «Behalt den Korb im Auge, Diebe sind überall, und iss auch ja was.» Dahabo deutet mit dem Kopf in Richtung Küche, wo Nurto beim Abspülen mit dem Geschirr klappert. «Bis morgen, dann will ich hören, wovon du geträumt hast.» Sie beugt sich herunter, die Quaste ihrer Gebetskette kitzelt Kawsar am Hals, und küsst sie dreimal, ihre Lippen sind rau und trocken auf Kawsars Wange.
    Kawsar ist barfuß, allein auf einem Friedhof, auf dem Felsbrocken die Gräber markieren. Ihre Arme sind taub und unbeweglich. Sie weiß, dass sie sich nicht umdrehen darf, hinter ihr lauert etwas Ungeheuerliches, das einen haarsträubenden Schatten wirft. Ihr stockt der Atem, ihre Beine sind so schwer, dass sie sie nicht bewegen kann, das Ding leckt an ihrem Nacken. Schwarz und scharf umrissen ist der Schattennun,

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