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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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dieser Hunde, zielte mit dem Keilabsatz auf sein Gesicht, in der Hoffnung, dem Bengel das Augeauszuschlagen; er hatte einen Stein zurückgeworfen und sie in die Rippen getroffen. Das war der Anfang vom Ende, der Übergang von Kontrolle zu Chaos, von Hoffnung zu Verzweiflung, von Ehrsamkeit zu Schande.
    Alles hätte einen anderen Verlauf genommen, wäre Hodan ein wehrhafteres Kind gewesen, das seine Wut, seinen Schmerz nach außen, auf andere hätte richten können. Auf dem Schulspielplatz trugen die Jungen Stahlkappenschuhe, und vor dem Unterricht bildeten sie ein Grüppchen und traten sich gegenseitig vors Schienbein. Gewinner war der Junge, der am längsten durchhielt. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Elf-, Zwölfjährigen einen Streit mit Rasierklingen ausfochten, die sie in ihren Ärmeln versteckt hielten. Die Lehrer konnten die Schüler fast nach Herzenslust verprügeln, treten und boxen, aber wenn sie zu weit gingen, eilte ein Elternteil mit erhobenen Fäusten herein. Dieser Tage war Gewalt zum Credo geworden, wurde auf allen Ebenen akzeptiert und belohnt; für die Sanftmütigen und Nachdenklichen war kein Platz. Auch bei den Nachbarn sah Kawsar, wie Knirpse von ihren älteren Geschwistern zu Prügeleien angestachelt wurden; einmal wurde Hodan von einer Gruppe Mädchen aus dem einfachen Grund angegriffen, weil sie ihr die Schuhe neideten. Sie rannte nach Hause, einen Riss in der Bluse, das Haar aus den Zöpfen gerissen, ein blutender Kratzer zog sich von der Nase über die Wange, am meisten aber war sie über den Zustand ihrer Schulhefte aufgebracht, die man zerrissen hatte und auf denen herumgetrampelt worden war. Sie wollte nicht, dass Kawsar die Hefte ersetzte oder die Mütter der Mädchen aufsuchte, damit diese bestraft würden, sie zitterte einfach nur vor Trauer um ihre zuvor makellosen Hefte; in ihr war keine Rache, sondern diese Großmut, die sowohl Erwachsene wie Kinder als Schwäche, als Blutleere interpretierten. Sie war «feig», «nicht ganz richtig» hieß es. Dahabo hatte versucht, ihr beizubringen, wie man stritt, fluchte, kämpfte, denn Kawsar war genauso sanftmütig wie ihre Tochter. Dahabo piesackte Hodan, versetzte ihr Klapse, um eine Reaktion hervorzurufen, aber es funktionierte nicht, das Mädchen versteckte sich hinter seiner Mutter und wartete darauf, dass Dahabo sie in Ruheließ. Wenn Hodan sich zu Gewalt hinreißen ließ, richtete sich diese gegen sie selbst.
    Nachdem sie abgespült hat, kommt Nurto in den Wohnraum zurück, erwähnt aber die Demonstration nicht, sitzt stattdessen still auf ihrer Matratze, in die Fotos einer indischen Zeitschrift vertieft, die ihr der Markthändler geschenkt hat. Beim Licht der
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studiert sie Haar, Augenbrauen, Make-up und Hennaschmuck der Schauspielerinnen, runzelt die Stirn, als verrichte sie harte Arbeit, überlegt, wie sie wohl mit ihren dürftigen Mitteln deren Aussehen nachzaubern kann. Sie reißt die Seiten mit den schönsten Frauen aus den Zeitschriften heraus und sammelt sie unter ihrem Kopfkissen, als hoffte sie, dass deren Glanz im Schlaf auf sie abfärbt, wahrscheinlich sind ihre Träume wie die Fotos in Rot und Gold getaucht.
    Gerade hängt die neugeborene Mondsichel zart und schmal in ihrem Sternenkinderzimmer, und Kawsar sieht zu ihr hoch, während sie leise ein Gebet für Hodans Seele spricht.
    Nachdem Nurto die Lampe gelöscht hat und eingeschlafen ist, liegt Kawsar noch lange wach. Sie gibt ihrer Schläfrigkeit erst nach, als sie um sieben Uhr Maryam Englishs Kinder zur Schule gehen hört, das laute Knirschen ihrer Sandalen, und ihre rötlichen Haare an ihrer Fensterbank vorbeischweben sieht. Kawsar schläft ein, die Wange in einen Sonnenstrahl getaucht.
    Die Eingangstür pendelt in ihren Scharnieren; Kawsar lässt sie morgens gern eine Viertelstunde offen stehen, damit der Geruch ihrer stinkenden Verbände und die abgestandene Luft aus dem Haus geweht werden. Die Wunde des komplizierten Beckenbruchs eitert immer noch, juckt unter der Baumwollgaze, und sie kratzt sich mit ihrem
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über die schimmernde, vernarbte Haut. In diesen stillen Augenblicken denkt sie oft an die Soldatin mit dem abwesenden Blick, die sie niedergeschlagen hat, und ihr Herz schlägt schneller.
    «Du kannst mir nicht wehtun», sagt sie mehrmals, und langsam wird ihr Atem wieder gleichmäßiger.
    Der Ausschnitt des Straßenlebens, den sie von ihrem Bett aus sehen kann, ist wie ein Traum, läuft an ihr vorbei wie ein Film, der sich unkontrolliert von

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