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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Tore des Polizeireviers waren geschlossen, und Soldaten drängten die Menge mit Stöcken zurück. Später, viel später am Nachmittag hörtesie, dass alle Mädchen verhaftet und aufs Polizeirevier gebracht und die Jungen zum Militärhauptquartier Birjeeh verfrachtet worden waren.
    Die Tore des Polizeireviers blieben den ganzen Tag geschlossen, und die Eltern durften ihre Kinder weder sehen noch ihnen Essen bringen. Angesichts der Wut auf den Gesichtern der Polizisten, die brüllend und geifernd die Menge zum Weggehen aufforderten, fragte sich Kawsar, was sie den Mädchen hintern den Mauern antaten. In Tränen aufgelöst taumelte sie nach Hause, fortgezerrt von Dahabo, deren Kinder alle die Schule bereits vor Jahren verlassen hatten. «Ich mache ihnen keinen Vorwurf, wir Erwachsenen sind viel zu duldsam gewesen», hatte sie gesagt. «Du solltest stolz auf sie sein, Kawsar.» Aber es gab nichts, worauf sie hätte stolz sein können. Kawsar wusste, dass sich Hodan nicht für Politik interessierte; sie musste mit ihren Klassenkameraden mitgegangen sein, damit diese ein anderes Bild von ihr bekamen – sie, die Tochter der Alten, die nie draußen spielen durfte.
    In den drei Nächten, die Hodan im Gefängnis verbrachte, schlief Kawsar nicht. Sie stand im Morgengrauen auf und wartete vor den Gefängnistoren, sah, wie die Mädchen nacheinander in die Arme ihrer Mütter entlassen wurden, und jeden Tag, wenn sie bei Sonnenuntergang allein nach Hause ging, drückte sie die Schüssel mit kaltem
iskukaris
, Reis mit Ziegenfleisch, einem Bettler in die Hand. Ohne ihre Tochter hatte ihr Leben den Halt verloren. Folgsam wartete Kawsar vor dem Revier, verrenkte ihren Hals, versuchte, über den Stacheldraht hinweg in die schmalen Fenster zu spähen.
    Endlich wurde Hodan ausgespuckt, sie sah nicht viel besser aus als ein Straßenmädchen, ihr Gesicht war schmutzig, das Haar verfilzt, die Uniform verdreckt. Kawsar rief ein Taxi und verfrachtete sie hinein, ehe jemand ihr die Tochter wieder wegnehmen konnte. Hodan verbarg den Kopf im mütterlichen Schoß und gab keinen Ton von sich. Zu Hause rannte sie sofort unter die Dusche, machte sich nicht die Mühe, das Wasser auf dem Herd warm zu machen, und schlief dann im gemeinsamen Bett ein. Kawsar schlüpfte neben sie, schob sacht die Laken beiseite und untersuchte Hodans Körper auf Verletzungen. Auf den Oberschenkeln befanden sich kleine Blutergüsse, vier auf jedem Bein von derGröße und Form einer Traube; sie zog wieder die Betttücher über ihre Tochter, nahm sie fest in den Arm, hoffte wider besseres Wissen, dass das, was sie befürchtete, nicht passiert war.
    Am Morgen nach ihrer Freilassung, beim Frühstück aus Leber und
canjeero
, lenkte Kawsar vorsichtig das Gespräch auf das, was Hodan auf dem Revier zugestoßen war.
    «Nichts.» Hodan hob den Blick nicht vom Teller.
    «Gar nichts? Haben sie dich nicht verhört?» Kawsars Stimme blieb sanft, zeugte von unverfänglicher Neugier. «Bloß ein paar Fragen, nicht viele …» Sie schien sich absichtlich den Mund vollzustopfen, damit kein Wort mehr herausdringen konnte.
    «Sie waren schon wütend auf uns, bloß weil wir draußen warteten. Ich hatte Angst um dich.»
    Hodan ließ den halb vollen Teller stehen und wusch sich die Hände.
    «Ruh dich heute aus, du kannst morgen wieder in die Schule gehen.»
    «Ich gehe nicht mehr in die Schule.»
    «Warum nicht?»
    «Ich will keinen von denen mehr sehen.»
    «Aber sie haben doch alle das Gleiche durchgemacht …»
    «Lass mich,
Hooyo
, lass mich in Ruhe», fuhr Hodan ihre Mutter an und schloss sich im Bad ein.
    Nachdem sie eine Woche gefehlt hatte, kam der Lehrer vorbei, aber Hodan weigerte sich, ihn zu sehen. Dann schickte er drei Klassenkameradinnen vorbei, die ihr eine Dose Halwa brachten; sie zogen sich zu einer geheimen Unterredung in den Garten zurück und zerteilten die dicke süße Scheibe, während Kawsar in der Küche die Ohren spitzte. Aus den wenigen verständlichen Worten konnte sie sich nichts zusammenreimen, aber beim Anblick der Rücken fiel ihr auf, wie klein Hodan im Vergleich zu den anderen Mädchen war, wie gebeugt ihre spatzenhafte Wirbelsäule vom vielen Lesen. Immer noch überflogen äthiopische Bomber Hargeisa, erinnerten Regierung und Bevölkerung noch Jahre nach Kriegsende daran, dass sie verloren hatten, und vorsichtshalber rief sie die Mädchen nach drinnen, als ob der Bungalow sie vor den Flugzeugen schützen könnte.
    Die Mädchen gingen, sie hatten Hodan nicht

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