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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ihm lastende Verdacht sich verdichtete und bedrohliche Ausmaße annahm? Anhand der Agentenberichte, die auf ihrem Schreibtisch landen, merkt sie, wie schwierig es ist, die Handlungen, Absichten und Worte von Menschen zu interpretieren; wenn sie ein Dossier über ihren eigenen verschlossenen Vater anlegen müsste, wo würde sie überhaupt anfangen? Er hatte sie geliebt, aber auch verachtet, sie grausam, aber auch mit Respekt behandelt; einen flüchtigen Blick auf die Welt gewährt durch die Gitterstäbe seiner Liebe. Sie sieht ihn vor sich, wie er auf dem Flachdach ihrer dreistöckigen Villa in Mogadischu hin und her geht, zwischen zwei schlanken Minaretten blinkt ein Stück Indischer Ozean, wie er mit einem Fernglas über das Viertel wacht, Osten und Westen nach den Spionen absucht, die ihn seiner Meinung nach beobachten.
    Captain Yasin trifft ein, groß und elegant mit seinem schwarzen Barett. Sie beide teilen sich das Büro, und unwillkürlich beobachtet sie ihn den ganzen Tag lang: seine regelmäßigen Gänge durchs Büro und den Korridor entlang, die Privatgespräche, die er von der einzigen Telefonverbindung ihrer Abteilung aus führt, die Stummel seiner Mentholzigaretten, die allmählich den schwarzen Aschenbecher füllen, und das Bonbondöschen, das er gedankenverloren schüttelt, wenn er über einem Problem brütet.
    Filsan steht auf und salutiert, aber er lächelt und hebt abwehrend die Hände.
    «Nun schnappen Sie nicht gleich über, Miss Corporal, aber vor einpaar Tagen habe ich mit Major Adow gesprochen, der mich fragte, ob ich ihm einen überzeugenden Kandidaten für einen Einsatz empfehlen könne, bei dem es darum geht, den lästigen Nomaden an der Grenze eine Lektion zu erteilen. Ich habe fieberhaft hin und her überlegt, und dann fielen Sie mir ein, wie Sie da hinter Ihrem kleinen Schreibtisch kauern. So effizient! So ehrlich!»
    Filsan sieht zu ihm hoch, und in ihrem Blick liegen Verachtung und Begehren.
    «Nach Birjeeh mit Ihnen, im Laufschritt marsch!» Mit dramatischer Geste zeigt er zur Tür, und unwillkürlich lacht sie. Als sie den Raum verlässt, folgt ihr sein interessierter Blick, was ihr nicht unangenehm ist.
    Wie ein verwunschenes Schloss auf einem kahlen Berg erhebt sich Birjeeh, das militärische Hauptquartier, teilweise hinter hohen mit Zinnen und Wachtürmen versehenen Mauern versteckt; dem Eingang mit dem breiten Torbogen fehlen nur noch Fallgitter und Burggraben, und das Bild wäre komplett. Filsan hat Gefangene in das betonierte Waffenlager eskortiert, das nun als Arrestzelle dient, kann sich aber gut vorstellen, dass in Geheimzellen ganz tief unten vergessene zottelbärtige Gefangene hausen.
    Der Offizier Logistik, Lieutenant Hashi, führt sie ins Büro des Majors, er schaut mit seinem schmalen Fuchsgesicht mürrisch drein, bereits von irgendetwas genervt.
    Im Zimmer drängen sich dreißig muskulöse Kommandosoldaten der hier stationierten 26. Infanteriedivision. Sie stehen im Halbkreis um Major Adow, aber zwischen ihren Körpern blitzt seine Uniformjacke braun, kaki und golden auf, in seiner Hand liegt wie ein Zauberstab ein schwarzer Stift.
    «Kommt näher, Genossen», sagt er und erhebt sich. Filsan fällt auf, dass er kaum größer ist, wenn er steht.
    Lieutenant Hashi rollt eine Karte aus und befestigt sie auf einer Filztafel hinter dem Schreibtisch. Sie zeigt die Nordwestregion Somalias bis ins kleinste Detail: Wasserlöcher, Wasserspeicher, trockene Flussbetten,unbefestigte Straßen. Oberhalb einiger Dörfer in der Nähe der äthiopischen Grenze sind drei blaue Kreise auf der Karte eingezeichnet; innerhalb der blauen Kreise befinden sich rote Halbkreise.
    Major Adow zeigt mit seinem Stift nacheinander auf die blauen Kreise und nennt die Namen. «Salahley, Baha Dhamal, Ina Guuhaa. Wir haben verlässliche Informationen, dass die Rebellen des NFM in diesen Dörfern Unterschlupf gefunden haben, wo man sie mit Wasser und Nahrung versorgt. Seit die Aufständischen ihr Hauptquartier von London nach Äthiopien verlegt haben, sind sie immer dreister geworden, und es sind Orte wie diese, die sie glauben lassen, sie hätten den Hauch einer Chance, uns zu besiegen.»
    Filsan reicht den Soldaten ungefähr bis zu den Achseln; ihr gefällt ihr Geruch, der Moschusgeruch des Schweißes vermischt mit Haaröl und Waffenfett.
    Lieutenant Hashi fängt ihren Blick auf, sein blutunterlaufenes Starren soll sie einschüchtern, aber verglichen mit dem ihres Vaters ist es harmlos.
    «Sie haben den

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