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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, sagte er. »So etwas will ich gar nicht hören. Sie sind viel zu klug und begabt, um sich mit dem zweiten Platz zufrieden zu geben. Nein, mein Freund, wenn wir fertig sind, werden Sie in der Lage sein, sich in Aphrodites Taverne am Hafen von Rhodos mit den Fischern über Politik zu unterhalten.«
    »Oh«, erwiderte ich und stand auf, um meinen Mantel zu holen. »Ist das alles? Ich dachte, ich würde dem Studium von Platos Symposion frönen können.«
    »Ts, ts, ts«, schalt mich der Professor und runzelte amüsiert die Stirn. »Ich habe gesagt, wir würden das Unmögliche schaffen ... keine Wunder vollbringen!«
    So begann meine kurze, aber intensive Lehrzeit in Umgangsgriechisch. Mein Lehrer sandte mich an jenem Abend mit zwei Büchern nach Hause - eines auf Griechisch, das andere auf Latein -und wies mich an, beide bis zu unserem nächsten Treffen in der kommenden Woche zu lesen. Ich weiß nicht, wie es ihm gelang, mir in den wenigen Stunden, da wir uns sahen, so viel Wissen zu vermitteln; aber im Laufe der nächsten Wochen machte ich beachtliche Fortschritte. All die kleinen Eigenheiten und Schwierigkeiten der Sprache, die mich auf dem College so sehr geplagt hatten, lö-sten sich dank des scharfen, forschenden Intellekts des Professors förmlich in Luft auf.
    Der Sommer kam und ging, und im Laufe des Herbstes begann ich darüber nachzudenken, was mich wohl Ende September erwarten würde. Die Antwort darauf erhielt ich bei meinem letzten Besuch in Professor Rossides Arbeitszimmer. Tatsächlich wusste ich nicht, dass dies mein letzter Besuch sein würde, bis mein gewissenhafter Lehrer nach dem Textbuch vor meiner Nase griff und es zuklappte. »Perfekt«, erklärte er. »Unsere gemeinsame Arbeit ist beendet.«
    »Wie kann sie beendet sein? Ich habe das Gefühl, sie hat gerade erst begonnen.«
    »Oh. Das ist in der Tat so, und ich gratuliere Ihnen zu einem ausgesprochen viel versprechenden Anfang; aber es war nur meine Aufgabe, Ihnen beizubringen, sich in Schrift und Wort zu verständigen, und das haben sie erreicht - und sogar mehr. Ich werde Ihren Kollegen demnächst einen entsprechenden Bericht zukommen lassen. Gute Arbeit, Mr Murray.«
    Ich wünschte ihm Lebewohl und ging. Ich war ein wenig traurig darüber, dass ich nicht länger das Vergnügen seiner außerordentlich anregenden Lektionen haben würde. Dieses Gefühl hielt bis zur Mitte der darauf folgenden Woche an, als ich einen weiteren Besuch von Pemberton und Zaccaria erhielt.
    Wieder erschienen sie kurz vor Büroschluss und verkündeten mit sichtlicher Freude, dass ich meine Aufgabe in jeder Hinsicht zufrieden stellend erfüllt hätte. »Wir wussten, dass Sie Gefallen an ihren Studien finden würden«, gestand mir Zaccaria.
    »Es war eine außerordentlich erfreuliche Erfahrung, wie ich zugeben muss. Ich habe es wirklich sehr genossen.«
    »Wie dem auch sein mag«, sagte Pemberton und zog einen weißen Umschlag aus der Innentasche seines Mantels. »Ich glaube, dass Sie es noch weit mehr genießen werden, ihre neu erworbenen Fähigkeiten in der Praxis anzuwenden.«
    Er reichte mir den Umschlag und bedeutete mir, ihn zu öffnen. Das tat ich auch und zog zwei Schifftickets heraus - eines für mich, das andere für meine Frau. Als Ziel war Paphos auf Zypern angegeben. »Wie Sie sehen können, läuft das Schiff in zwei Wochen von heute an aus«, sagte Pemberton. »Ich glaube, das lässt Ihnen genug Zeit, Ihre Angelegenheiten zu regeln.«
    »Sechs Wochen Zypern«, sinnierte ich, während ich das Rückfahrtdatum las. »Ja, ich glaube, Caitlin und mir wird das gefallen. Ich danke Ihnen.«
    »Ich denke nicht, dass sich aus dieser Reise Probleme für Ihre Arbeit in der Kanzlei ergeben werden.« Der Art und Weise, wie er das sagte, konnte ich nicht entnehmen, ob diese Äußerung eine Vermutung oder eine Feststellung war; doch wie auch immer: Ich ging davon aus, dass Pemberton und Zaccaria alle möglichen Probleme vorhergesehen und aus dem Weg geräumt hatten.
    »Nicht im Geringsten«, erwiderte ich. »Wie es der Zufall will, geht es zu dieser Jahreszeit in der Kanzlei ohnehin recht ruhig zu. Während meiner Abwesenheit kann einer meiner Referendare sich um alles kümmern.«
    »Hervorragend.«
    Somit war dann alles geregelt. Mir blieb nur noch, zu packen und mich und meine liebe Frau rechtzeitig auf den Dampfer zu befördern - eine Aufgabe, die, wie sich herausstellte, jede freie Minute in Anspruch nahm, derweil Caitlin

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