Der Gast des Kalifen
angestammten Platz zurückgebracht wurde.
Ich war dagegen, wie ich gestehen muss, doch ich stand in Jor-danus' Schuld, und so widerstrebte es mir, ihm ob dieser Meinungsverschiedenheit Kummer zu bereiten. In dieser Nacht fanden wir keine Lösung mehr für unser Problem, aber ich versprach ihm, in den nächsten Tagen eingehend darüber nachzudenken. Das stellte ihn zufrieden, und er sprach nicht mehr darüber, sondern überließ mich meinen Gedanken.
Am nächsten Morgen wickelten Padraig und ich mit Sydonis Hilfe das Heilige Kreuz in rote Seide und verstauten es in einer stabilen Holzkiste, wo Anna für gewöhnlich ihre guten Schuhe und Festtagsgewänder aufzubewahren pflegte. Wir legten die heilige Reliquie auf den Boden der Kiste und darüber Kleider, Halstücher, Tisch-
decken und dergleichen. Die Kiste ließ sich nicht verschließen, doch Sydoni sagte, das sei sogar besser so. »Ein Dieb wird sich zuerst auf jene Dinge stürzen, die verschlossen sind«, erklärte sie.
Wir schoben die Kiste unter Padraigs Bett, und zufrieden damit, dass unser Schatz zumindest vorläufig in Sicherheit war, gingen wir zum Hafen hinunter und sorgten dafür, dass man uns über jedes Schiff Bescheid geben würde, das Richtung Westen fuhr. Ich hegte allerdings die Vermutung, dass wir uns zu einem größeren Hafen begeben mussten, um solch ein Schiff zu finden, doch das würde unglücklicherweise unser Risiko vergrößern, entdeckt zu werden. Ebenso erhöhte jeder Tag, den wir warteten, dieses Risiko, denn ich glaubte nicht einen Augenblick lang daran, dass die Templer einfach so die Suche nach der heiligen Reliquie aufgeben würden. Und mit Sicherheit würden sie nicht zulassen, dass sich ihnen irgendjemand dabei in den Weg stellte.
Mein plötzliches und unerklärliches Erscheinen auf dem Kai von Kairo hatte Sergeant Gislebert verwirrt, und ich wusste, ich wusste einfach, dass de Bracineaux alsbald seine Bemühungen aufmich ausrichten würde - wenn auch nur, um sicherzugehen, dass sich die Reliquie nicht in meinem Besitz befand. So hatte Jordanus' Vorschlag, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen und ihn zu einem Gespräch einzuladen, vom Standpunkt der Überraschung her durchaus etwas für sich; trotzdem fiel mir kein einziger wirklich vernünftiger Grund ein, warum ich mich mit den Templern treffen sollte. Das sagte ich Jordanus jedoch nicht. Ich bat ihn lediglich darum, mir noch etwas Zeit zu gewähren, um den Vorschlag zu überdenken.
»Nimm dir Zeit, so viel du willst«, erwiderte der alte Mann bereitwillig. »Aber während du nachdenkst. Warum gehst du nicht zum Kloster hinauf und sprichst mit den Mönchen dort über die Wiederherstellung deiner Papyri? Es ist nicht weit. Du wärst nur ein paar Tage fort, und auf dem Weg dorthin bekämst du auch noch etwas von Zypern zu sehen.«
Padraig hielt das ebenfalls für eine gute Idee, und so taten wir das auch.
ie Einwohner Zyperns reisen per Esel, und auch wenn das recht würdelos ist, so sind die zähen kleinen Tiere doch trittsicher und genügsam. Sie fressen wenig und brauchen auch weit weniger Wasser als ein Pferd oder ein Ochse, und sie können sowohl Hitze als auch Kälte ertragen, wodurch sie wesentlich besser zum Reisen geeignet sind als ihre Stallgenossen. Wir liehen uns drei dieser Tiere in Paphos - je eines für Padraig und mich und eines, um unseren Proviant und das Futter für die Reise zu tragen. Wie Jorda-nus gesagt hatte, war das Kloster nicht weit entfernt, doch die Menschen in den Hügeln hinter Paphos sind sehr arm, und so war es mehr als unwahrscheinlich, dass wir auf dem Weg Proviant würden aufnehmen können.
»Ich glaube, es ist am besten, wenn man so wenig wie möglich von den Bauern verlangt und dennoch so angenehm wie möglich zu reisen versucht«, riet uns Jordanus.
So schnürten wir früh am nächsten Morgen ein paar Dinge zusammen mit den Papyri zu einem Bündel und beluden damit den geduldigen Packesel. Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, hatte Padraig mein Manuskript in eine feuchte Schafshaut gewickelt. Dann wünschten wir Jordanus, Wazim und Sydoni Lebewohl und machten uns auf den Weg zum Kloster Agios Moni, einer Zuflucht des Wissens und des Gebets am Rande des Troodos-Gebirges.
Die Straße war viel benutzt und gut markiert, und das Wetter war trocken und schön, sodass wir gut vorankamen. Als wir die erste Anhöhe erreichten, blickte ich zurück und sah die weißen Häuser von Paphos wie Juwelen in der sonnendurchfluteten Bucht
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