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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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funkeln.
    Es war ein schönes Gefühl, wieder mit Padraig unterwegs zu sein, nur wir zwei, und dabei fiel mir ein, dass wir seit Beginn unserer Pilgerfahrt eigentlich nie allein gewesen waren. Wir ritten Seite an Seite, und ich erzählte ihm von meiner Gefangenschaft bei Emir Ghazi. Als wir höher in die mit Pinien bewachsenen Hügel hinaufstiegen, wurde die Luft allmählich kühler und angenehmer. Der sanfte Wind, der über die Straße strich, roch nach Pinien und erinnerte mich an die schottischen Wälder. Sehnsucht überkam mich, und nur der Gedanke, dass ich bald wieder dorthin zurückkehren würde, vermochte mich zu trösten.
    Fast den ganzen Tag verbrachten wir im Sattel; nur dann und wann hielten wir an, um die Tiere an einem Bach oder einer Quelle zu tränken. Wir kamen durch einige winzige Siedlungen, und wie Jor-danus uns vorhergesagt hatte, handelte es sich um ausgesprochen elende Dörfer: Sie bestanden aus zusammengeflickten, rußgeschwärzten Hütten, und davor lungerten abgemagerte Hunde herum, und schmutzige Kinder hockten in dreckigen Höfen und starrten uns hungrig an. An einer dieser Behausungen war Padraig derart bewegt vom Anblick eines nackten Jungen und seiner kleinen Schwester, dass er ihnen die Hälfte unseres Brotes gab, etwas Trok-kenfleisch und sämtlichen Käse, den wir mitgenommen hatten.
    Später, als die Sonne in dem grünen Tal im Westen versank, suchten und fanden wir ein Stück von der Straße entfernt eine Lichtung im Pinienwald, wo wir unser Nachtlager aufschlugen. Wir machten ein Feuer aus duftenden Pinienzweigen und kochten uns einen schlichten Erbsenpudding; dann schliefen wir auf Betten aus Piniennadeln, während die Sterne über uns durch die Wipfel der Bäume hindurch auf uns hinabfunkelten.
    Bei Tagesanbruch standen wir auf und setzten unseren Weg fort. Unser Ziel erreichten wir just in dem Augenblick, da die Glocken des Klosters zur Vesper läuteten. Das Tor stand noch immer offen; also ritten wir hinein und stellten uns beim Pförtner vor. Die Mönche waren zum größten Teil Griechen, doch dank Padraigs guten Griechischkenntnissen hatten wir keinerlei Mühe, uns verständlich zu machen. Padraig erzählte dem Pförtner, dass er ebenfalls Priester sei und dass wir auf Pilgerfahrt gewesen und gerade aus dem Heiligen Land hier eingetroffen seien ... woraufhin der Mönch schrecklich aufgeregt wurde und zu seinem Abt rannte.
    Abt Demitrianos war ein freundlicher und sanfter Mann, demütig in Art und Erscheinung, mit lockigem dunklem Haar und einem Bart mit je einem grauen Streifen zu beiden Seiten des Mundes. Wie die Brüder unter seiner Obhut, so war auch er in ein einfaches, langes schwarzes Gewand gehüllt, das ihm vom Kinn bis zu den Zehen reichte, und trug eine spitze schwarze Kappe mit einem aufgenähten weißen Kreuz. Um seinen Hals hing ein Holzkreuz an einem Lederband, und in der Hand hielt er einen kurzen Stab.
    Demitrianos empfing uns wie lange verloren geglaubte und betrauerte Vettern und hieß uns in seinem Kloster willkommen. Er befahl dem Pförtner, das Gästehaus vorzubereiten, und sagte: »Es ist uns eine Ehre, jemanden zu beherbergen, der im Heiligen Land gewesen ist. Falls Ihr von Eurer Reise nicht allzu erschöpft seid, könntet Ihr ja vielleicht beim Abendessen von Eurer Pilgerfahrt berichten.«
    »Es wäre uns eine Freude, die Neuigkeiten von unserer Reise mit Euch zu teilen«, entgegnete Padraig. »Ich muss Euch jedoch sagen, dass wir durch ein großes Unglück nie in Jerusalem angelangt sind. Falls Ihr gehofft haben solltet, etwas aus der Heiligen Stadt zu erfahren, dann fürchte ich, müssen wir Euch enttäuschen.«
    »Das macht nichts«, erwiderte der Abt. »Viele von uns sind noch nicht einmal bis Paphos oder Limassol gekommen und einige noch nicht einmal bis ins nächste Tal. Ich bin sicher, dass alles, was Ihr uns über die weite Welt erzählen könnt, mit Dank und Respekt angenommen werden wird.«
    Das kleine Kloster von Agios Moni, so erklärte uns der Abt, war sehr alt; die ersten Mönche waren vor siebenhundert Jahren aus Konstantinopel hierher gekommen. »Davor«, berichtete er, »war dies hier ein Tempel der Göttin Hera. Unsere Kapelle steht auf den Grundmauern des Tempels. Es ist ein sehr alter und heiliger Ort.«
    Als Padraig sein Interesse daran bekundete, mehr über das Klo-ster zu erfahren, wurde der Abt unser Führer und geleitete uns nacheinander in jedes Gebäude und zeigte uns die Schätze seiner Bruderschaft einschließlich einer

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