Der Gast des Kalifen
diese Weise zu dienen.«
»Wir werden später darüber reden«, entgegnete Murdo steif.
»Lasst uns jetzt sprechen«, widersprach ich ihm tollkühn.
»Später«, beharrte Murdo. »Jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt dafür, einen Familienstreit auszutragen.«
Ich wollte ihm gerade erklären, dass dieser Zeitpunkt so gut wie jeder andere sei, als ich die Hand meiner Mutter auf dem Arm spürte, die mich zurückhielt. Mit einem knappen Kopfschütteln flehte sie mich an zu schweigen.
»Wie Ihr wünscht, mein Herr«, erwiderte ich und entsprach damit Ragnas stummer Bitte. »Wir reden später darüber.«
Das Fest nahm seinen Lauf, doch gute Laune stellte sich erst langsam wieder ein, und ich fühlte mich wie ein rüpelhafter Hund, den ein verärgerter Bär mit einem Schlag seiner mächtigen Tatze zur Räson gebracht hatte. Eine Zeit lang saß ich einfach nur da und versuchte, den Tadel abzuschütteln; es war sinnlos. Die Wunde schwärte, und ich konnte meinen Unmut kaum zügeln. Nach einer Weile ergab sich die Gelegenheit für mich, unbemerkt aus der Halle zu
schlüpfen.
Ich ging hinaus in die frostige Nacht und spürte den eisigen Wind in meinem erhitzten Gesicht. Was, fragte ich mich, hatte ich eigentlich erwartet? Hatte ich wirklich geglaubt, Murdo würde in die Hände klatschen und mich für meine Absicht mit Lob und guten Wünschen überhäufen?
Nein. Es war genau das geschehen, was ich befürchtet hatte, nichts weiter. Den Ärger hatte ich mir selbst zuzuschreiben. Doch ein Trost blieb mir: Zumindest hatte ich meine Absicht kundgetan; was auch immer nun geschehen mochte, mein Plan war nicht mehr länger ein Geheimnis.
Den ganzen nächsten Tag über wartete ich darauf, in die Kammer meines Vaters gerufen zu werden, damit er mich maßregeln konnte; doch es kam kein Ruf. Der Tag verging, ohne dass irgendjemand etwas sagte. Wir verabschiedeten unsere Gäste und brachten sie auf den Weg. Aus Rücksicht auf mich erwähnte auch keiner von ihnen meine Ankündigung der vergangenen Nacht. Anschließend verbrachte ich den Rest des Tages mit der kleinen Cait und speiste mit meiner Mutter zu Abend.
»Er ist so wütend auf dich, Duncan«, sagte Ragna nach einer Weile und schürzte verärgert die Lippen. »Er hat den ganzen Tag geknurrt wie ein Wolf mit Zahnschmerzen und weigert sich, mit uns zu essen.« Sie legte die Kelle beiseite, mit der sie sich gerade Suppe aus der Schüssel genommen hatte, und sah mich an. »Du musst zu ihm gehen und ihm sagen, dass alles nur ein großer Fehler war.«
»Wie kann ich das?«, fragte ich. »Es mag ihm nicht gefallen; aber ein Fehler war es nicht. Ich gedenke nach Jerusalem zu gehen - genau wie ich gesagt habe. Sicher, mein Herz wäre leichter, wenn er mir seinen Segen geben würde, aber ob er nun zustimmt oder nicht, ich werde gehen.« ^L^rau Ragna runzelte die Stirn. »Duncan, bitte, du weißt nicht, fl was du sagst.«
»Weiß ich das wirklich nicht?«, erwiderte ich. »Lebe ich nicht schon lange genug in diesem Haus, um zu wissen, was ich tue?«
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte sie und schob mir die Schüssel zu. Sie faltete die Hände und beugte sich über den Tisch zu mir hinüber. »Als er von der Pilgerfahrt zurückgekehrt ist«, erzählte sie, »schwor dein Vater, dass weder er noch sonst jemand aus seiner Familie je wieder einen Fuß ins Heilige Land setzen würde. Du widersetzt dich ihm darin, und ich fürchte mich vor dem, was nun kommen wird.«
»Es tut mir Leid, Mutter«, erwiderte ich. »Aber ich wusste nichts von diesem Schwur.«
»Ich wünschte, du hättest etwas gesagt, mein Sohn. Du hättest doch mit uns reden können.« Sie betrachtete mich mit traurigen Augen. »Ist diese Pilgerfahrt wirklich so wichtig für dich?«
»Das ist sie«, antwortete ich mit feierlichem Ernst. »Seit Rhonas Tod habe ich an nichts anderes mehr gedacht. Ich glaube, Gott hat mir dieses Verlangen ins Herz gelegt, und nur er allein kann es mir wieder nehmen.«
»Wenn du gehst, wird das deinen Vater umbringen«, erklärte Rag-na. Sie runzelte die Stirn und ergriff meine Hand. »Glaub mir, Mur-do könnte es nicht ertragen, wenn du gehst. Die Qual wäre zu viel für ihn.«
»Es ist meine Qual«, entgegnete ich in scharfem Ton, »nicht seine.«
Frau Ragna schüttelte sanft den Kopf. »Nein«, widersprach sie, »es ist die seine; denn im Gegensatz zu dir weiß er, was dich erwartet. Er war dort, Duncan, und er kennt die Gefahren, denen du dich wirst stellen müssen. Er könnte
Weitere Kostenlose Bücher