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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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an, ihm mit seinem Latein zu helfen.
    Schließlich wurden die beiden gute Freunde. Sarn ist ein sehr vorsichtiger und zurückhaltender Mensch; er gibt nur wenig von sich selbst preis, es sei denn, er ist davon überzeugt, dass seine Gabe nicht verschwendet ist. In Roupen sah er jemanden, der seine Freundschaft zu schätzen wusste, und der junge Herr fand in dem Seemann einen treuen Gefährten, der nichts von ihm verlangte außer Freundlichkeit.
    So kam es, dass Roupen unter Sarns Einfluss einen Großteil seiner Steifheit und seines Misstrauens uns gegenüber verlor. Eines Tages überraschte er uns alle, als er lauthals lachte, weil er sich über etwas amüsierte, was Sarn gerade zu sagen versuchte. Er warf den Kopf zurück, griff sich an die Seite und schüttelte sich vor Heiterkeit, während wir ihn erstaunt anstarrten. Unter dem Schleier von Trübsinn, der über ihm gelegen hatte, kam langsam ein junger Mann zum Vorschein, der - so vermutete ich - in den letzten Jahren nicht einen einzigen Augenblick der Freude gekannt hatte.
    Sein plötzlicher Ausbruch machte mich neugierig, doch ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, und so wartete ich bis zum nächsten Tag, bevor ich ihn näher befragte. Sarn und Padraig zogen gerade das Boot; ich stand am Ruder, und Roupen machte Knoten in ein Seil, das Sarn ihm zum Üben gegeben hatte.
    »Wie ist es bei dir zu Hause?«
    Roupen dachte einen langen Augenblick darüber nach; dann antwortete er: »Es ist, als lebe man in einer Kirche - einer großen Kirche voller Priester, Bußfertiger und Pilger. Im Palast meines Vaters ist ständig Gottesdienst; überall schweben Weihrauchwolken, und stets läuten die Glocken. Von meinem Vater, dem Fürsten, bis hinunter zum gemeinsten Stallburschen betet jeder sechsmal am Tag.«
    »Einige würden das als Paradies bezeichnen«, bemerkte ich.
    »Vielleicht wäre es das ja auch«, erwiderte Roupen, »wenn nicht die ganze Welt versuchen würde, uns zu vernichten. Jeder ist gegen uns, und wir sind ständig auf der Hut, um nicht von unseren Feinden zermalmt zu werden.«
    Als ich ihn fragte, wie sein Volk dazu gekommen war, sich so viele Feinde zu machen, erklärte er, dass es schon immer so gewesen sei.
    »Die lateinische Kirche erkennt unseren Glauben nicht an«, sagte er unglücklich. »Sie halten uns für schlimmer als die Ungläubigen, und Konstantinopel wird nicht eher ruhen, bis wir der Herrschaft des Kaisers unterstehen. Da wir überdies zuerst und vor allem Christen sind, plagen uns ständig die Mohammedaner.
    Das war auch der Grund, warum mein Vater eine Gesandtschaft zum König der Franken geschickt hat. Wir hatten gehofft, uns mit einem oder mehreren Herren des Westens verbünden zu können, die ihre Autorität dazu benutzen könnten, die Kreuzfahrer davon abzuhalten, uns anzugreifen. Als Gegenleistung wollten wir ihnen anbieten, dabei zu helfen, die Pilgerwege instand zu halten und die Pilger vor Wegelagerern und Türken zu beschützen.«
    »Hat der König euch angehört?«
    Traurig schüttelte Roupen den Kopf. »Wir hatten noch nicht einmal Gelegenheit, bei ihm vorzusprechen. Wie es üblich ist, wandten wir uns an seine Berater und Höflinge, die auch unsere Geschenke entgegennahmen und versprachen, dem König unser Anliegen vorzutragen, doch die Audienz wurde aus dem ein oder anderen Grund immer wieder verschoben. Als der König schließlich erklärte, dass er uns empfangen wolle, hatte die Krankheit ihre Arbeit bereits getan, und es war niemand mehr übrig, den er hätte empfangen können - mit Ausnahme von mir, und ich war zu krank, um auch nur den Kopf zu heben, geschweige denn, ein längeres Gespräch mit dem König zu führen.« Er seufzte und ließ die Schultern hängen. »Als es mir wieder besser ging, war der König mit seinem Hof schon längst
    zur Jagd nach Norden gezogen.«
    »Zumindest lebst du noch und kannst es noch einmal versuchen«, bemerkte ich. »Ohne Zweifel ist das auch der Grund, warum Gott dich verschont hat - damit du deinem Volk helfen kannst.«
    »Vielleicht«, räumte Roupen widerwillig ein. »Doch ich habe nie verstanden, warum Gott irgendetwas tut. Wenn der Herr der Heerscharen will, dass ich meinem Volk helfe, hätte er mir einfach gestatten sollen, mit dem König zu sprechen, wie wir geplant haben.« Er hielt kurz inne und dachte nach; dann fügte er hinzu: »Und er hätte das Leben von vierzehn Menschen retten können.«
    »Die Wege des Herrn sind in der Tat unergründlich«, stimmte ihm Padraig

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