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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Sarn sein Bestes gab, die beiden Pilger zu entmutigen, indem er fortwährend die Stirn runzelte und sie böse anfunkelte, als hätten wir ihn gebeten, mit dem Teufel und seinem Bruder an Bord über den Rand der Welt zu fahren, so blieben sie doch höflich und gut gelaunt, und rasch kamen wir zu einer Übereinkunft:
    Sie würden für alle Vorräte bezahlen, und Sarn würde sie nach Inbhir Ness mitnehmen, wo sie ohne Mühe ein Boot gen Süden finden konnten.
    Nachdem dies abgemacht war, ergriff Robert Tookes meine Hand in Freundschaft. »Wir beide, mein Vater und ich, sind Euch sehr dankbar«, sagte er. »Habt keine Sorge um Euren Mann oder Euer Boot. So wahr Gott mein Zeuge ist, werden wir beide sicher nach Hause geleiten.«
    Wir verabredeten, dass sie bei Sonnenaufgang hierher zurückkehren sollten, und sie eilten davon, um Proviant einzukaufen und was sie sonst noch für die Reise brauchten. Endlich lief alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte, und ich blickte einer ruhigen, angenehmen Überfahrt entgegen. Zufrieden mit mir selbst lehnte ich mich zurück und genoss ein wohlverdientes Nickerchen, ohne mich an Sarn zu stören, der missmutig knurrte und polternd hin und her stapfte.

    urz nach Sonnenuntergang kehrte Roupen wieder zurück, und wir aßen zu Abend. »Niemand in diesem fliegenverseuchten Sumpf hat von Anavarza auch nur gehört«, beschwerte er sich enttäuscht darüber, nichts über seine Heimat erfahren zu haben. Er saß neben dem ebenfalls trübseligen Sarn, und gemeinsam wirkten die beiden nur umso missmutiger, was Padraig und ich jedoch nach besten Kräften zu ignorieren versuchten. Wir sprachen über dies und jenes, während die Nacht sich langsam um uns herabsenkte. Stille kehrte im Hafen ein, und wir beobachteten die Schwalben über dem Wasser, während im Osten der Mond aufging.
    Ich lag auf dem Rücken und dachte gerade, was für eine schöne Nacht dies doch sei, um die Sterne zu beobachten, als Padraig sich zu mir umdrehte und sagte: »Ich glaube, ein Gebet vor dem Schlafengehen würde uns angesichts der Reise, die wir morgen antreten, gut bekommen.« Er stand auf. »Komm. Die Kapelle ist nicht weit entfernt.«
    »Wir können genauso gut hier beten«, erwiderte ich unwillig, den friedlichen Hafen zu verlassen.
    »Die Kapelle wäre aber besser«, entgegnete der sture Mönch und kletterte aus dem Boot. »Du solltest auch mitkommen, Roupen.«
    Ich stand langsam auf und folgte ihm. Roupen lehnte es ab, mitzukommen. Er sagte, er wolle bei Sarn bleiben und ihm helfen, aufs Boot aufzupassen. Ich holte den langbeinigen Priester erst ein, als dieser bereits über den fast vollkommen menschenleeren Platz marschierte, der dem Pier vorgelagert war. »Die Kapelle wird dir gefallen, Duncan«, sagte er, als ich neben ihn trat. »Dort gibt es eine sehr ungewöhnliche Skulptur.«
    Er führte mich zu einem kleinen viereckigen Steingebäude. Ein matter Lichtschein fiel aus den zwei winzigen Fenstern zu beiden Seiten der bogenförmigen Holztür. Ein Eisengriff sicherte die Tür, doch er ließ sich leicht anheben, und Padraig öffnete sie. Rechts und links von einem einfachen Holzaltar brannten zwei große Kerzen, und darüber hing die Skulptur, die Padraig erwähnt hatte.
    Die Kerzen waren von einfacher Machart und sonderten einen schwarzen Rauch ab, der nach verbrannten Haaren roch. Ihr trübes Licht tat nur wenig, um die Dunkelheit zu erhellen, doch da der Raum leer war, traten wir näher an den Altar heran, um einen genaueren Blick auf die Skulptur werfen zu können. Dabei handelte es sich um eine Mutter mit einem Kleinkind in den Armen. Ein goldener Heiligenschein zierte sowohl den Kopf der Mutter als auch den des Kindes; beide Figuren waren aus einem einzigen, großen Stück dunklen Holzes geschnitzt. Abgesehen von dem unge-wöhnlichen Material war das Bildnis etwas, das man in jeder lateinischen Kirche hätte finden können.
    »Fällt dir etwas auf?«, fragte Padraig.
    »Der Holzschnitzer war offenbar von beachtlichem Geschick, aber sonst. Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken.«
    »Sie sind schwarz«, erklärte Padraig.
    »Nun, das Holz ist schwarz«, korrigierte ich ihn.
    »Nein«, sagte er. »Sieh sie dir noch einmal genauer an.«
    Ich trat näher an die Skulptur heran und beugte mich vor, bis mein Gesicht fast das Holz berührte. Wie ich gesagt habe, waren die Figuren hervorragend gearbeitet. Das Kind reckte eine winzige Hand zum feierlichen Gesicht der Mutter empor, die mit mütterlichem Ernst in

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