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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Roupen zu. »Diesen Teil der Geschichte habe ich auch noch nie gehört.«
    »Damals hieß der Ort noch Massilia«, erklärte Padraig, »und war ein weithin bekannter römischer Hafen. Korn und Vieh wurden von hier nach Osten verschifft; es herrschte reger Handel in jenen Tagen. Massilia war eine schöne, wohlhabende Stadt - und weit weg von den religiösen Intrigen und Verfolgungen des Ostens. Die Heilige Familie und ihre Anhänger brachten den neuen Glauben mit, und seitdem verehrt man sie in diesem Land - wie ihr hier ja sehen könnt.«
    Er erklärte uns dies mit solchem Selbstvertrauen, dass ich nicht umhin konnte, ihn zu fragen: »Woher weißt du das alles?«
    Padraig lächelte. »Der Kult der Schwarzen Madonna ist den Cele De wohl bekannt. Es ist natürlich ein häretischer Kult, wenn auch harmlos verglichen mit anderen; aber dessen ungeachtet ist und bleibt es Häresie. Wir erfuhren davon, als man einst unseren geliebten Pe-lagius bezichtigte, diesem Kult anzugehören, unseren großen Lehrer und Fürsprecher. Er wehrte sich natürlich gegen diese Anschuldigung und antwortete seinen Anklägern mit einer kühnen Abhandlung, die bis heute von den Bewahrern des Heiligen Lichts aufbewahrt und studiert wird.«
    Dann führte uns Padraig in unseren Gebeten. Nach kurzer Zeit waren wir damit fertig, und Roupen kehrte sofort zum Boot zurück, sodass Padraig und ich allein in der Kapelle zurückblieben. »Du wusstest, dass die Schwarze Madonna hier ist«, sagte ich. »War sie der Grund, warum du mich hierher geführt hast?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie hier ist, bevor ich heute Mittag zum Beten hierher gekommen bin.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber das ist auch egal. Die Skulptur ist ein Kuriosum, weiter nichts.«
    »Warum hast du mich dann hierher geführt?«
    »Ich wollte dich daran erinnern, dass die Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen«, antwortete er, »und dass selbst die offenste Erscheinung bisweilen eine tiefere Bedeutung enthält, die sich nur jenen offenbart, die bereit sind, genauer hinzusehen.«
    Selbst im trüben Licht der Kerzen sah ich seinen durchdringenden Blick, und ich wusste, dass ich ihm nicht länger ausweichen konnte. »Ich habe dich hierher gebracht«, erklärte er, »damit du mir den wahren Grund deiner Pilgerfahrt nennen kannst.«
    Das hätte mich nicht überraschen sollen, doch es ist, wie ich bereits gesagt habe und immer wieder sagen werde: Die Priester der Cele De stecken voller Überraschungen. Ich vermute, er hatte diesen Plan sofort nach unserem kurzen Gespräch auf dem Rückweg vom Templerschiff gefasst. Auch wenn ich es vorgezogen hätte, es ihm erst zu sagen, nachdem wir unserem Ziel ein gutes Stück näher gekommen waren, so wusste ich doch, dass ich es nicht mehr länger würde hinausschieben können; also sagte ich: »Nun gut. Dies scheint ja wohl die Nacht der offenbarten Geheimnisse zu sein.«
    Padraig lächelte. »Das ist sie.« »Es ist leicht erklärt«, begann ich, als wir die Kappelle verließen, »und nicht halb so geheimnisvoll wie die Schwarze Madonna. Zuerst muss ich dich fragen, ob du je von der Eisernen Lanze gehört hast?«
    »Natürlich.« Er lachte nicht lauthals auf, doch meine Frage amüsierte ihn. »Es ist der Speer der Kreuzigung.«
    »Das ist er«, bestätigte ich. »Und da die Priester der Cele De ja scheinbar alles wissen, nehme ich an, dir ist auch bekannt, dass diese Reliquie in der Schatzkammer meines Vaters ruht.«
    »Nun da du es erwähnst, ja.«
    »Hast du das schon immer gewusst?«, fragte ich. Ich kam mir wie ein Trottel vor, weil ich geglaubt hatte, irgendetwas vor ihm verheimlichen zu können. Ich blieb stehen und wartete auf seine Reaktion.
    »Nein«, erwiderte er. »Tatsächlich habe ich erst einen Tag vor unserer Abreise davon erfahren.«
    »Ich nehme an, Abt Emlyn hat es dir gesagt.«
    »Das hat er«, sagte Padraig. »Aber mein Onkel hat mich gebeten, nie mit jemandem darüber zu sprechen - es sei denn, dieser jemand spricht wie jetzt zuerst davon.«
    »Hast du die Heilige Lanze gesehen?«
    »Leider nein. Eines Tages vielleicht. Wer weiß?«
    »Nun«, sagte ich und setzte mich wieder in Bewegung, »ich habe sie gesehen und sie sogar in Händen gehalten. Das war in der Nacht, als mir mein Vater erzählt hat, wie er sie vor den Heiden gerettet und aus den Händen der frevelhaften Kreuzfahrer befreit hatte, die die Lanze entweihen wollten. In jener Nacht schwor ich mir, dass ich das Kreuz retten

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