Der Gast des Kalifen
respektvoller Stimmung. Hinterher suchte mich Renaud an Deck, wo Padraig und ich die milde Abendluft genossen. Der Templer verneigte sich ehrerbietig und sagte: »Gestattet mir, mich bei Euch für das gottlose Verhalten meiner Brüder zu entschuldigen.«
»Ihr müsst Euch nicht bei uns entschuldigen«, erwiderte ich. »Es
war nicht unsere Tafel, und so schuldet Ihr uns auch nichts.«
»Dennoch«, sagte der Templer, »wart Ihr beide es, die uns zu Sitte und Anstand gemahnt haben - und Ihr habt Recht daran getan. Meine Männer sind nun schon viel zu lange in keinem Kloster mehr gewesen. Ihnen fehlt die Strenge, und so haben sie sich gehen lassen.«
»Ich weiß, wie Kämpfer sind«, entgegnete ich. »Ihr müsst mir das nicht erklären.«
Renaud lächelte steif. »Wie auch immer. Bitte, nehmt meine tief empfundene Entschuldigung für diesen bedauernswerten Zwischenfall entgegen. So Gott will, wird es nicht wieder vorkommen.«
Dann wanderten Renaud und ich die Reling entlang. Padraig trottete ein Stück hinter uns her; er hörte uns zu, doch seine Gedanken behielt er für sich. Schließlich erreichten wir das Heck, wo einige Seeleute miteinander redeten und scherzten. Als wir an ihnen vorüber waren und sie uns nicht mehr hören konnten, sagte Renaud: »Es würde mich interessieren zu erfahren, wie es dazu kam, dass Ihr in Gesellschaft von Fürst Leos Sohn reist.«
»Wir haben ihn in Rouen getroffen«, erzählte ich, »wo er eine Passage in seine Heimat gesucht hat.« Ich berichtete, wie der junge Fürstensohn die Krankheit überlebt hatte, der seine gesamte Gesandtschaft zum Opfer gefallen war, und wie er als Folge davon ohne Hilfe in einem fremden Land gestrandet war.
»Wisst Ihr etwas über seine Familie?«, fragte Renaud.
»Ich weiß, dass sein Vater ein Fürst in seinem Land ist, weiter nichts«, antwortete ich. Irgendetwas in der Stimme des Templers weckte in mir den Wunsch, den jungen Mann zu verteidigen. »Doch ob seine Familie nun dem edelsten Haus angehört oder sich zu den niedersten Sklaven zählt, für mich hat das keinen Unterschied gemacht. Roupen brauchte eine Mitfahrgelegenheit, und wir brauchten jemanden, der uns nach Marseille führen konnte. Also haben wir ein Abkommen getroffen, das beiden Seiten zum Vorteil gereichte, und er hat sich uns als treuer Freund erwiesen.«
Renaud hob die Augenbrauen. »Seid Ihr immer so vertrauensse-lig?«
»Bis ein Mann mir das Gegenteil beweist«, antwortete ich, und unwillkürlich sträubten sich mir die Nackenhaare, denn was der Templer mit dieser Frage sagen wollte, war offensichtlich. »Ich behandle ihn mit allem gebührenden Respekt. Es ist niemals falsch, andere so zu behandeln, wie man selbst von ihnen behandelt werden will.«
»Nein«, räumte Renaud rasch ein. »Natürlich nicht. Ihr müsst mir noch einmal verzeihen. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Ich wollte nur wissen, was Ihr über die Familie Eures jungen Freundes und ihre Umstände wisst.«
»Wie ich gesagt habe, weiß ich nur wenig über Roupens Familie oder deren Umstände. Aber gibt es da vielleicht etwas, was ich wissen sollte?«
Nachdenklich schürzte der Templer die Lippen. »Nur so viel«, antwortete er schließlich. »Der Vater Eures Freundes, Fürst Leo, ist ein unglücklicher Mann in gefährlicher Lage. Ich fürchte, man kann ihm nicht vertrauen.«
»Es tut mir Leid, das zu hören«, erwiderte ich unsicher, denn ich wusste nicht, was Renaud mit dieser Erklärung beabsichtigte.
Wie als Antwort auf mein Zögern fuhr Renaud fort: »Glaubt mir, es macht mir keine Freude, das sagen zu müssen. Ich hege aufrichtiges Mitgefühl für Euren Freund Roupen; er befindet sich in der Tat in einer äußerst misslichen Lage.«
Er blickte über das Wasser zu der nur noch als Schatten erkennbaren Küste hinaus wie zu einer offenen, schwärenden Wunde und fügte hinzu: »Bohemunds Wille übersteigt seine Möglichkeiten oft bei weitem.«
Die Erwähnung des kühnen Fürsten erinnerte mich an die Geschichten über die Begegnung meines Vaters mit ihm, und ich erklärte: »Was Ihr da sagt, interessiert mich sehr. Mein Vater kannte Fürst Bohemund. Sie trafen sich in Jaffa während der Großen Pilgerfahrt, und mein Vater half dem Fürsten, der damals noch Herr von Tarent war, sich die Hilfe des Kaisers zu sichern.«
»Wirklich?«, erwiderte der Komtur mit plötzlich erwachter Neugier.
»O ja«, versicherte ich ihm. »Und der Fürst hat ihm diesen Gefallen vergolten. Wäre Bohemund nicht gewesen, mein
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