Der Gast des Kalifen
wieder seiner Arbeit zu und strich dem
Pferd vor ihm, einem edlen braunen Hengst, mit der Hand über das Vorderbein. Ich beschloss, dass es wenig Sinn ergab, noch weiter mit ihm zu streiten, und so wandte ich mich zum Gehen. »Wenn er gesagt hat, dass Ihr auf ihn warten sollt, dann vermute ich, hat er auch genau das gemeint«, fügte Gislebert über die Schulter hinweg hinzu. Als er sich daraufhin abermals von mir abwandte, hörte ich ihn vor sich hin murmeln: »Nur ein Narr würde an ihm zweifeln.«
Ich blieb mitten im Schritt stehen und drehte mich um. »Ich bin kein Narr, Sergeant Gislebert«, sagte ich in scharfem Tonfall, »auch wenn Ihr etwas anderes zu glauben scheint. Und ich hege größtes Vertrauen zu Komtur de Bracineaux. Ja, er hat uns gesagt, wir sollten hier auf ihn warten, und den ganzen Tag über haben wir genau das getan. Aber er hat uns auch gesagt, dass er uns bald folgen wird, und das ist offenbar nicht geschehen. Daher und angesichts der schlechten Laune des Fürsten halte ich es keineswegs für Torheit, mich nach dem Wohlbefinden Eures Komturs zu erkundigen.«
Langsam richtete Gislebert sich auf und musterte mich mit angewiderter Distanziertheit. »Ich überlasse es Euch, Gislebert«, sagte ich. »Es kostet Euch nur einen Augenblick, mir das Gegenteil zu beweisen.«
Nach kurzem Schweigen fragte er: »Was soll ich denn Eurem Willen nach tun, Herr?« Die Worte krochen wie Würmer aus seinem Mund.
»Vielleicht würde es Euch nicht allzu viel Umstände bereiten, einen Boten zu den Templern in der Zitadelle zu schicken und sie zu bitten, sich nach dem Verbleib Eures Komturs zu erkundigen.«
»So soll es sein«, erwiderte der Sergeant mit sichtlichem Widerwillen.
»Gut.«
Ich gesellte mich wieder zu Roupen und Padraig, und das Warten begann erneut. Schließlich versank die Sonne am Horizont. Die Stadt wurde in Zwielicht getaucht, und durch die offene Tür wehte der Duft frisch gekochten Essens herein. Da ich mir nun immer größere Sorgen machte, ging ich auf den Hof hinaus, und nachdem ich geraume Zeit ziellos umhergewandert war, setzte ich mich auf den Rand des Brunnenbeckens. Der Himmel war klar, und der Abend schön; ein paar Sterne funkelten hell über meinem Kopf, und über den Dächern zeigte sich bereits der Mond. Jenseits der Mauern der Komturei sah ich Rauch aus den Kaminen der Häuser aufsteigen.
Ich begann, darüber nachzudenken, was du, meine liebe Cait, im Augenblick wohl in Banvarö machtest. Ich sah dich am Ufer spielen, glitzernde Muscheln sammeln und sie stolz deiner Großmutter zeigen. Ich war noch immer in diesen Tagtraum versunken, als ich hörte, wie jemand den Hof betrat. Ich blickte auf und sah Gislebert, der raschen Schrittes auf mich zukam.
»Es ist, wie Ihr befürchtet habt«, erklärte er schlicht. Sichtlich erregt verzog er das Gesicht, als er mir gezwungenermaßen die schlechte Nachricht überbrachte. »Fürst Bohemund hat den Komtur im Palast behalten.«
»Dann hatte ich also Recht.«
Verlegen zuckte der Sergeant zusammen. »Ich habe mich bei den Mönchen im Palast nach ihm erkundigt. Es geht ihm gut. Er hat mir eine Nachricht zukommen lassen: Ihr sollt die Stadt sofort verlassen. Der Komtur hat versucht, den Fürsten zur Vernunft zu bringen - ohne Erfolg. Bohemund hat eine Suchaktion nach Euch veranlasst. Sobald seine Männer die Unterstadt erreichen, werdet Ihr hier nicht länger sicher sein. Der Komtur sagt, dass Ihr und der junge Herr nicht länger warten dürft. Ihr müsst fliehen.«
»Hat er auch gesagt, wohin wir gehen sollen?«
»Nein, Herr«, antwortete Gislebert. »Doch der Komtur nimmt an, dass der junge Herr begierig darauf ist, so rasch wie möglich nach Hause zurückzukehren.«
»Er ist sogar sehr begierig darauf«, erwiderte ich. »Aber sprecht offen mit mir, Gislebert. Was erwartet Renaud von uns?«
Der stämmige Kriegermönch betrachtete mich mit einer Mischung aus Niedergeschlagenheit und Härte. »Das ist alles, was ich weiß, Herr.«
Ich starrte ihn an und wunderte mich über die rätselhafte Wendung, die unser Gespräch genommen hatte. Mir kam der Gedanke, dass diese Zurückhaltung vielleicht auf die Schwierigkeit zurückzuführen war, auf die der Komtur im Vorfeld immer wieder hingewiesen hatte: Ihr Treueid hielt ihn und seine Mitbrüder davon ab, sich direkt den Wünschen ihres Lehnsherrn zu widersetzen. »Gislebert, hat der Komtur Euch auch mitgeteilt, warum er mit dem Fürsten hat sprechen wollen?«
»Bisweilen zieht er mich ins
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