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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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vor. Haben Sie gesehen, wie sie aussehen?«
    Sue schüttelte den Kopf. »Zu dunkel. Ich weiß nur, dass sie zu sechst waren.«
    »Zu sechst? « Das schien Tom nicht zu gefallen.
    Neal sah Sue an und schüttelte den Kopf. »Ich glaube eher, es waren fünf.«
    »Nein, sechs. Ich hab sie gezählt.«
    Tom verzog das Gesicht. »Also … danke für den Hinweis.«
    »Gern«, sagte Sue.
    Er warf einen wütenden Blick zum Ausgang. »Ach, ich kann nicht die ganze Nacht auf sie warten.« Er wandte sich ab und ging davon.
    Sue zupfte an Neals Arm. »Was jetzt?«, fragte sie grinsend.
    »Ich glaube, mehr können wir hier nicht tun.«
    Sie lachte. »Wie spät ist es eigentlich?«
    »Fünf nach zehn.«
    »Dann sollten wir lieber gehen, ehe sie uns rausschmeißen.«

34
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    Ausgerechnet dieses Mal waren sie nicht allein im Aufzug.
    Auf dem ganzen Rückweg zum Apache Inn war Neals Aufmerksamkeit fast völlig von Sue eingenommen gewesen, die neben ihm ging – in dem weiten neuen Sweatshirt, das so gerade den Ansatz ihrer Oberschenkel bedeckte. Sie hatte ihren Rock nicht wieder angezogen. Unter dem Sweatshirt war sie völlig nackt, und Neal konnte an nichts anderes denken.
    Er hatte vorgehabt, ihr das Sweatshirt im Aufzug bis zur Taille hinaufzuschieben.
    Jetzt werde ich mal ein bisschen wild.
    In den Spiegeln würden sie Sues Abbild sehen – von vorn und von hinten und sich ewig fortsetzend.
    Das wird sie ebenfalls anmachen, dachte Neal. Verdammt, wahrscheinlich zieht sie das Sweatshirt ganz aus.
    Während sie durch die Nacht liefen, waren sie in seiner Fantasie schließlich beide nackt im Fahrstuhl und liebten sich umgeben von ihren Spiegelbildern.
    Doch als sie in den Aufzug traten, kamen zwei Frauen aus dem Kasinobereich auf die offene Tür zugestürmt. Frauen mit aufgetürmtem Haar, zu viel Schminke, Westernhemden, die sich über ihren Brüsten ausbeulten, großen silbernen Gürtelschnallen und Jeans, die so eng waren, dass sie beide nicht richtig laufen konnten. Oder vielleicht lag es an den Cowboystiefeln, dass sie so komisch gingen. Oder an ihrem Alkoholpegel. Oder an allem zusammen.
    Beide trugen in einer Hand eine Plastikschale mit Jetons und in der anderen einen durchsichtigen Plastikbecher mit einem Getränk.
    »Hältst du mir die Tür auf, Süße?«, rief die Frau, die vorauslief. Ihr aufgeplustertes Haar war schneeweiß mit pinkfarbenen Strähnchen.
    Sue drückte den Knopf, mit dem man die Türen schloss.
    Die Türen setzten sich in Bewegung. »Verdammt!«, stieß Sue aus. »Ich hab den falschen Knopf erwischt!«
    Die Weißhaarige drängte sich seitlich hinein. Mit einem Fuß im Aufzug stieß sie ihren Hintern gegen die Tür hinter sich. Beide Türen hielten inne. Sie blieb dort stehen, damit ihre Freundin ebenfalls mitfahren konnte, doch als die Türen sich wieder öffneten, fiel sie rückwärts zu Boden. Sie schaffte es zwar, keine Jetons zu verlieren, aber ihre andere Hand schnellte nach oben, und sie schüttete sich ihren Longdrink samt Eis ins Gesicht. »Bäh!«, keuchte sie.
    Neal nahm ihren Arm und half ihr auf.
    Als die Türen sich schlossen, sagte sie: »Danke, Süßer. Du bist ’n echter Gentleman.«
    »Gern geschehen.«
    »Ich bin Myrna.« Sie winkte Neal zu. »Das da ist meine Freundin Lola.«
    Lola, ihre brünette Begleiterin, drückte auf den Knopf für den vierten Stock, dann salutierte sie in Richtung Neal. »Was Lola will«, sagte sie, »das kriegt sie auch.«
    »Ist sie nicht witzig?«, fragte Myrna, als der Aufzug sich in Bewegung setzte.
    »Habt ihr viel gewonnen?«, erkundigte sich Sue.
    »Nö«, sagte Myrna. »Je mehr man gewinnt, desto mehr verliert man. Stimmt’s, Lola?«
    »Ich hab’s richtig gemacht«, sagte Lola. »Ich spiele dieses elektronische Poker?« Sie hob die Stimme, als wäre es eine Frage. »Man muss was auf dem Kasten haben, aber dann hat man bessere Chancen als an den verdammten Spielautomaten. Die Spielautomaten sind scheiße.«
    »Ich mag sie«, sagte Myrna.
    »Dann brauchst du dich auch nicht zu beschweren, wenn du die ganze Zeit verlierst.«
    »Tja, manchmal verliert man, dann gewinnt man wieder.« Myrna versuchte, aus ihrem Becher zu trinken, bemerkte, dass er leer war, und runzelte die Stirn. »Wo is’n mein Wodka-Tonic hin?«
    »Auf deiner Nase, zum größten Teil.«
    »Tja, Scheiße.«
    Der Aufzug hielt im vierten Stock, und die Türen öffneten sich.
    Sue drückte auf den Knopf, damit sie sich nicht wieder schlossen.
    Lola taumelte hinaus.
    Myrna blickte finster in

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