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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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dazwischen, und die Mutter schimpfte: »Kinder! Kommt sofort zurück!«
    Sue ließ ein verrücktes hexenartiges Kichern ertönen.
    »Arschlöcher!«, brüllte der Vater.
    »Tom!«
    »Ich komme, ich komme! Wenn ich diese Arschlöcher in die Finger kriege …«
    Neal blickte über die Schulter und sah ein schwaches rotes Leuchten am Ende des Ganges: die fliehenden Kinder mussten durch den Sensor gelaufen sein, der das Licht in dem Schaukasten mit dem gespaltenen Schädel einschaltete.
    »Beschissene Arschlöcher!«, rief der Vater – ein Abschiedsgruß, während er seiner davonlaufenden Familie folgte.
    »Meint er mich?«, flüsterte Sue.
    »Ich glaub schon.«
    Sie kicherte leise. Neal spürte kurze warme Atemstöße an seinem Hals. Durch sein Sweatshirt fühlte er, wie ihre Brüste wackelten.
    »Kinder!«, rief die Mutter. »Hört auf zu rennen! Kinder! Verdammt! Wartet!«
    Ein paar Sekunden später ging das rote Licht aus, und der Gang versank wieder in völliger Dunkelheit.
    »Wir sollten lieber abhauen, solange die Gelegenheit günstig ist«, sagte Sue.
    Neal küsste sie flüchtig. In der Dunkelheit mussten seine Lippen eine sonderbare Stelle ihres Gesichts getroffen haben. Er wusste nicht, was er da geküsst hatte. »Wo habe ich dich erwischt?«, fragte er.
    »Am Auge.«
    »War es offen?«
    »Ja. Ich glaub, jetzt bin ich blind.«
    »Hoffentlich nicht«, sagte er. »Wo sind die Sachen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Okay. Kein Problem. Bleib einen Moment hier.« Neal wandte sich von ihr ab und eilte in die Richtung, aus der das rote Leuchten gekommen war. Er hielt die Arme ausgestreckt und rechnete damit, gegen irgendwas zu stoßen, doch es gelang ihm, unversehrt das Licht in dem Geierschaukasten auszulösen.
    Er sah nach links.
    Keine Spur von dem wütenden Vater oder sonst jemandem.
    Er überprüfte die rechte Seite.
    Auch dort war der Gang leer, bis er sich in der Dunkelheit verlor.
    Neal drehte sich um. Sue tänzelte auf ihn zu, nackt bis auf Schuhe und Socken, und winkte ihm. In dem blutroten Licht leuchtete ihre Haut rosig. Ihre Brüste wippten. Die Nippel sahen violett aus.
    Sie blieb vor der Plastiktüte stehen, bückte sich, zog ihr Sweatshirt heraus, warf es in die Luft und tauchte hinein, als würde sie einen Kopfsprung machen. Einen Augenblick später schob sie sich die Ärmel an den Unterarmen hoch. Dann hob sie die Tüte auf. »Gehen wir.«
    Sie wandte sich nach rechts.
    »Wo ist dein Rock?«, fragte Neal. Das Sweatshirt bedeckte nur ihre Taille, von dort bis zu den Socken war sie nackt.
    »In der Tüte«, sagte sie.
    »Willst du ihn nicht anziehen?«
    »Keine Zeit.« In diesem Moment rutschte ihr das Sweatshirt über die Hüften und verbarg ihren Hintern.
    Neal lief hinter ihr her. Das Licht ging aus.
    »Warte«, sagte er.
    Kurz darauf fanden sie sich in der Dunkelheit. Neal nahm ihre Hand.
    Die übrigen Attraktionen in Custers Spukhaus nahm er kaum noch wahr. Er war zu nervös und aufgeregt – zu verblüfft von Sues wildem Benehmen.
    Fasziniert von ihrer Kühnheit.
    Bezaubert.
    Ein wütend dreinblickender Mann wartete im Mittelgang gleich vor dem Ausgang des Schreckenskabinetts. Die Frau und die Kinder waren nicht zu sehen, doch Neal ging davon aus, dass es sich um Tom handelte.
    Er hatte eine Halbglatze, trug eine Brille und sein Körper wirkte weich, als triebe er niemals Sport. Eine teuer aussehende Minolta-Kamera hing an seinem Hals und lag auf der Wölbung seines Bauchs. Er sah Neal und Sue finster an, als sie die Rampe hinunterschlenderten. Seine Fäuste hatte er an den Seiten geballt.
    Na toll, dachte Neal. Der Typ geht bestimmt auf uns los. Und dann werden wir wegen groben Unfugs oder so verhaftet.
    Nettes Spielchen, Sue.
    Das war es wert. Mann! Sie ist fantastisch. Verrückt, aber fantastisch!
    Sue klammerte sich plötzlich an Neals Arm. »Diese Schweine!«, stieß sie hervor und sah mit einer Mischung aus Wut und Traurigkeit in den Augen zu ihm auf. »Wir sollten die Polizei rufen. Diese Mistkerle! Was fällt denen eigentlich ein, einfach aus der Dunkelheit zu springen und so zu schreien! Die haben mich zu Tode erschreckt!«
    Toms düsterer Gesichtsausdruck verschwand, während sie sich ihm näherten. »Hat Sie jemand dort drin belästigt?«, fragte er.
    Sue nickte mit geschürzten Lippen. Sie sah aus, wie ein Kind, das jeden Moment in Tränen ausbricht.
    »Uns auch«, sagte Tom. »Meine Kinder haben sich fast in die Hose gemacht. Wenn die rauskommen, schnappe ich sie mir und knöpf sie mir

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