Der Gast: Roman
Wohnung gegangen und Rasputin begegnet bin. Also, das ist wirklich passiert, aber ich war nicht in Fleisch und Blut da. Ich habe das Armband geküsst und meinen Körper verlassen.«
»Hier«, sagte Sue und klopfte auf die Armlehne des Sessels.
»Unglaublich«, ächzte Marta.
»Sue hat geschlafen, also bin ich abgeflogen. Und bin mit Rasputin zusammengestoßen, der gerade mein Schloss geknackt hat. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin in ihm gelandet. Er war zurückgekommen, um mich zu suchen. Er war also zwei Nächte hintereinander in der Wohnung. Beim ersten Mal hat er seine alten Verbände ins Klo geworfen und vergessen, zu spülen. Dieses Mal hat er rausgefunden, dass ich zwischendurch zu Hause war. Und dass ich Besuch hatte. Er hat unsere Bierdosen auf dem Tisch gesehen. Heute Nacht will er wieder zurückkommen. Er hofft, mich dann endlich in die Finger zu kriegen.«
»Und mich auch«, fügte Sue hinzu.
»Er will … uns umbringen. Um sich an mir für die Schüsse zu rächen.«
»Mein Gott«, stöhnte Marta.
»Tja, es ist ungefähr so, wie wir es uns schon gedacht haben.«
»Stimmt.«
»Das Interessante ist, er muss später heute Nacht etwas abholen. Irgendwo auf einem Parkplatz. Eine halbe Million Dollar.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich war in seinem Kopf. Jemand soll ihm eine halbe Million Dollar zahlen, und er bekommt das Geld heute Nacht. Um zwei Uhr.«
»Wer sollte ihm eine halbe Million Dollar zahlen?«, fragte Marta.
»Ich weiß es nicht.«
»Es muss Vince Conrad sein«, sagte Sue. »Elises Mann.«
»Das ist nur eine Vermutung«, erklärte Neal. »Sue und ich haben letzte Nacht, nachdem ich zurückgekommen bin, darüber geredet. Er muss es nicht sein, aber es wäre eine einleuchtende Erklärung. Elise wollte sich von ihm scheiden lassen. Wenn sie damit durchgekommen wäre, hätte sie die Hälfte seines Vermögens bekommen. Das Haus allein ist bestimmt ein paar Millionen wert. Und wer weiß, was er sonst noch alles verloren hätte, wenn sie geschieden worden wären.«
»Du glaubst also, dass er Rasputin angeheuert hat, um sie zu ermorden?«
Neal nickte. »Während er in Hawaii in der Sonne lag und sich ein perfektes Alibi verschafft hat. Wahrscheinlich hat er Rasputin beauftragt, sie nicht im Haus zu töten.«
»Er wollte bestimmt nicht, dass sein schönes Haus mit dem ganzen Blut versaut wird«, vermutete Sue.
»Vermutlich hat er Rasputin gesagt, er soll sie irgendwo hinbringen und sie richtig fertigmachen – sie quälen und vergewaltigen, damit es aussieht wie das Werk eines Serienmörders.«
»Der er auch ja auch ist«, merkte Sue an.
»Was?«, fragte Marta.
»Es sieht so aus, als wäre er tatsächlich ein Serienmörder«, sagte Neal. »Rasputin.«
»Leslie Glitt«, korrigierte ihn Sue. »Das ist sein richtiger Name. Kaum zu glauben, oder?«
Marta warf Neal einen erstaunten Blick zu. »Du hast rausgefunden, wie er heißt?«
»Ja. Klar. Er hat zwischendurch in der dritten Person an sich gedacht – und den Namen benutzt.«
»Leslie Glitt«, wiederholte Sue. »Mit G.«
»Habt ihr nachgesehen, ob er im Telefonbuch steht?«, fragte Marta.
Neal und Sue sahen sich an.
»Noch nicht«, sagte Neal. »Ich kann es mir aber nicht vorstellen.«
»Man kann nie wissen.«
»Und ich weiß mit Sicherheit, dass er sich nicht bei sich zu Hause aufhält«, fügte Neal hinzu. »Er hat sich in einem fremden Haus eingenistet. Ich war da. Ich bin mit ihm dahingegangen, nachdem er in meiner Wohnung war. Er hält eine Frau und einen Mann gefangen … die Frau hat noch gelebt. Aber sie waren in der Garage. Er hat sie gefoltert.«
Marta sah ihm in die Augen. »Wo? Wo ist das Haus?«
»Ich weiß nicht.« Er schüttelte den Kopf und schnitt eine Grimasse. »Ich habe keine Ahnung. Ich habe nicht auf den Weg geachtet, als wir dorthin gefahren sind. Und er auch nicht. Plötzlich ist er in die Einfahrt gebogen. Ich konnte nicht mal einen Blick auf das Haus werfen, ehe er in die Garage gefahren ist. Ich weiß nicht, in welcher Straße es liegt, und die Hausnummer kenne ich schon gar nicht. Wenn ich irgendeine Vorstellung hätte, wäre ich letzte Nacht mit meiner Pistole hingefahren und hätte … dem Ganzen sofort ein Ende bereitet.«
Marta streckte den Arm aus und strich sanft über seinen Nacken. Sie sagte nichts. Sue sah mit einem angedeuteten Lächeln zu.
»Ich weiß einfach nicht, wo er ist«, murmelte Neal.
»Aber wir wissen, wo er heute Nacht ist«, sagte Sue. »Da schnappen wir ihn dann,
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