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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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verrückt.
    Aber auf tolle Art!
    So sehr er von den beiden beeindruckt war, so sehr hasste er es auch, sie mit Vince im Pool plantschen zu sehen.
    Je schneller ich das Geld finde, desto schneller sind wir hier raus.
    Er wandte sich von der Glastür ab und ging durchs Wohnzimmer.
    Keine Spur von einer Einkaufstüte.
    Sie wird nicht so offen herumliegen.
    Warum nicht?
    Weil Vince zwei Fremde ins Haus gelassen hat.
    Sie ist irgendwo versteckt. Sieh im Schlafzimmer nach. Unter dem Bett.
    Doch die Küche war gleich vor ihm, und Neal dachte, die Küche sei ein guter Ort für eine Einkaufstüte voller Zaster.
    Das Offensichtliche wird oft übersehen. Wie in Der entwendete Brief.
    Also eilte er in die Küche und sah sich um.
    Er fand einige braune Papiertüten wie die in Vinces Gedanken, aber sie waren alle ordentlich zusammengefaltet und in einem Spalt zwischen dem Kühlschrank und einem Schrank verstaut.
    Er fragte sich, ob Elise das getan hatte.
    Er stellte sie sich in der Küche vor, wie sie umgeben von ausgepackten Lebensmitteln mit gesenktem Kopf und einem konzentrierten Stirnrunzeln eine leere Tüte faltete.
    Sie trug eine weiße Bluse und hellbraune Shorts. Die Hosenbeine waren an den Oberschenkeln hochgekrempelt. Ihre Füße steckten in weißen Turnschuhen.
    Bei diesem Bild schnürte sich seine Kehle zu, und die Augen begannen zu brennen.
    Wenn Vince nicht wäre, würde sie noch leben.
    Neal lief aus der Küche.
    Im Wohnzimmer blieb er stehen und sah durch die Scheibe nach draußen.
    Vince stand im hüfttiefen Wasser, Marta schwamm auf das tiefe Ende zu, und Sue kletterte neben einem der Sprungbretter aus dem Becken. Vince schien Sues Rückseite zu bewundern.
    Ich könnte ihn jetzt sofort töten, dachte Neal. Das wäre einfach.
    Er stellte sich vor, wie er durch das Haus ging, die Tür aufschob, zum Beckenrand marschierte und wie Vince sich von Sues nassem Hintern losriss und sich wütend zu dem Eindringling umdrehte. Als er die Pistole sah, verwandelte sich die Wut in Verwirrung und Angst. Er hob die Arme. »Das ist für Elise«, sagte Neal und schoss. Peng, peng, peng , so schnell er konnte, zog er den Abzug durch, die Kugeln schleuderten Vince rückwärts ins Wasser.
    Ja! Schick den Mistkerl zur Hölle, dann ist die Sache erledigt.
    Neals Finger schmerzten, weil er die Sig Sauer so fest umklammerte.
    Doch sein Tagtraum setzte sich fort. Er sah Vince mit ausgestreckten Armen tot auf dem Rücken treiben, im Gesicht und in der Brust blutige Krater, während sich das Wasser ringsherum rosa färbte und das Heulen von Sirenen die Luft durchschnitt. Marta und Sue sahen ihn mit panischen Augen an.
    Nein, das kann ich nicht machen. Nicht, wenn sie dabei sind … sie würden als meine Komplizinnen verhaftet werden …
    Draußen im Sonnenlicht stieg Sue auf das Einmeterbrett.
    Vince starrte sie an.
    Marta war unter dem Sprungbrett und hielt sich mit einem Arm am Beckenrand fest. Zuerst dachte Neal, sie würde Sues Sprung beobachten. Dann merkte er, dass sie genau in seine Richtung blickte.
    Konnte sie ihn sehen?
    Er bezweifelte es. Doch ihr Gesichtsausdruck war besorgt, als fragte sie sich, warum er so lange brauchte.
    Wieso stehe ich hier herum?
    Neal wandte sich ab. Er hielt sich nicht damit auf, das Gesellschaftszimmer zu durchsuchen, sondern warf nur im Vorbeigehen einen Blick hinein, ohne eine Einkaufstüte zu entdecken. Dann sah er kurz im Gästebad, in ein paar Schränken und in der Wäschekammer nach, wo Elise Sonntagnacht seine schmutzigen Kleider gewaschen hatte.
    Er erinnerte sich, wie er hinter ihr gestanden hatte, als sie dort in dem glänzenden blauen Pyjama hockte und die Wäsche aus dem Trockner nahm. Und wie er sie versehentlich berührt hatte, als sie ihm die Kleider gab. Er hatte sich entschuldigt, doch sie hatte entgegnet: »Ich gehöre voll und ganz dir, hast du das vergessen? Du kannst mich nach Herzenslust ansehen oder berühren.«
    Ihm war wieder zum Weinen zumute.
    Elise war überall gegenwärtig.
    Deshalb spürte er ihre Abwesenheit.
    Ihre Umgebung war geblieben, doch sie war fort. Sie war aus dem Leben gerissen worden, zerstört worden in einer Raserei aus Schmerz und Demütigung und Schrecken. Für immer fort.
    Wie kann sie aus dieser Welt verschwunden sein?
    Es war schrecklich für Neal und nahezu unvorstellbar. Er hatte das Gefühl, er könnte ihr jeden Moment begegnen. Als er ins Schlafzimmer ging, rechnete er fast damit, sie dort vor dem Schrank stehen zu sehen. Er stellte sich vor, wie sie

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