Der Gast: Roman
Neal. Dein Safe. Denk an deinen Safe und die Kombination. Es ist das Mindeste, was du tun kannst, wenn die beiden sich schon so abmühen.
»Wenn ich Schmuck hätte«, sagte Sue, »würd ich ihn ganz bestimmt nicht in dich stecken. Da würd ich ihn schon lieber dahin schieben, wo nie die Sonne scheint.«
»Mädels, Mädels.«
Marta seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich muss mich für meine Cousine entschuldigen. Sie ist sonst nicht so. Wahrscheinlich liegt es am Wodka. Eigentlich ist sie noch zu jung zum Trinken.«
»Ich bin alt genug. Ich war schon mit neun alt genug.«
Vince zog überrascht und amüsiert die Brauen hoch. »Du hast mit neun angefangen zu trinken?«
»Ja. Da hab ich rausgefunden, wie ich an den Schnaps von meinem Vater komm. Er hat ihn eingeschlossen, weil meine Mutter eine Säuferin war. Es gab ein Schloss am Schrank. So eines mit einer Kombination. Tja, mein Vater hatte wirklich ein schlechtes Gedächtnis, deshalb hat er die Kombination auf einen Zettel geschrieben, den er immer in seiner Brieftasche hatte. Eines Nachts, als er geschlafen hat, hab ich heimlich einen Blick darauf geworfen und sie abgeschrieben. Er hat mich nicht erwischt, und ich bin direkt zu dem Schnapsschrank, hab mich hingehockt und an dem Schloss rumgefummelt. Man musste erst nach links, dann nach rechts, dann wieder nach links drehen. So in der Art. Ich hab acht oder neun Versuche gebraucht. Das ganze Hin und Her. Wenn man zu weit gedreht hat oder nicht weit genug, musste man wieder von vorne anfangen. Aber irgendwann ist es aufgegangen. Ich hab den Schrank geöffnet, und da standen in einer Reihe zehn verschiedene Sorten Schnaps. Ich hab aus jeder Pulle einen Schluck genommen. Du hast noch nie ein Mädchen gesehen, das so besoffen war. Es ist ein Wunder, dass ich es zurück ins Bett geschafft hab.« Sie seufzte. »Jedenfalls hab ich danach fünf Jahre lang keinen Tropfen mehr angerührt.«
Während Sues Geschichte hatten sich die Worte in Vinces Kopf in Bilder verwandelt. Er hatte zugesehen, wie sie nachts durchs Haus schlich, die Kombination in der Brieftasche ihres Vater fand, sich vor den Schrank hockte und sich mit dem Schloss abmühte.
In Vinces Vorstellung war sie jedoch keine neun Jahre alt. Sie sah aus, wie sie jetzt aussah.
Nur dass sie keinen Bikini trug.
In seinem Kopf hatte Vince Sue von vorn gesehen, als wären seine Augen in der Tür des Schnapsschranks gewesen, auf Höhe ihrer Brüste. Ihre Haut hatte in dem rötlichen Licht geschimmert wie Bronze, als sie versuchte, das Schloss zu öffnen. Ihre Knie waren weit gespreizt gewesen und hatten fast die Schranktür berührt.
Als sie kurz darauf die Tür geöffnet hatte, war Vince in dem Schrank gewesen und hatte zugesehen, wie sie Flaschen herausgenommen, Deckel abgeschraubt und getrunken hatte.
Während er Sues Geschichte zugehört hatte und die Bilder in seinem Inneren abgelaufen waren, war er wieder hart geworden.
Aber er hatte nicht einmal an seinen eigenen Safe oder dessen Kombination gedacht.
Er hat keinen Safe, dachte Neal.
Wo hat er das Geld dann versteckt?
Er hat es irgendwo im Haus bereitgelegt. Vielleicht schon in einer Einkaufstüte.
Finden wir’s raus.
48
48
Neal wünschte, sie hätten im Schatten geparkt. Er fand sich schweißüberströmt auf dem Rücksitz des Jeeps wieder, seine Kleider durchnässt. Mit einem Gefühl, als hätte die Sonne ihm die Hälfte seiner Kraft ausgesaugt, griff er nach dem Überrollbügel und zog sich auf die Beine.
Martas Handtasche und Kleider lagen auf dem Fahrersitz, Sues Klamotten auf dem Beifahrersitz.
Ich hätte sie das niemals tun lassen sollen.
Dieser schleimige durchtriebene Mistkerl mit seinem beschissenen Ständer.
Neal stieg auf die Seitenverkleidung und sprang auf den Bürgersteig. Er beugte sich über die Fahrertür zum Lenkrad.
»Diese Scheiße muss ein Ende haben«, murmelte er und schlug auf die Hupe.
Nichts geschah.
Er drückte noch einmal auf die Mitte des Lenkrads, spürte, wie der Kunststoff nachgab, hörte jedoch kein Signal.
»Toll«, stöhnte er. »Fantastisch.«
Warum zum Teufel hat Marta mir nicht gesagt, dass ihre Hupe im Eimer ist?
Was nun?, fragte er sich.
Vielleicht solltest du das Geld holen, du Idiot. Das hättest du gleich machen sollen, anstatt den Schwanz einzuziehen und die Hupe zu drücken. Deswegen bist du doch hergekommen. Die Mädchen sind halbnackt vor dem kranken Arsch herumstolziert, haben ihn fast in den Wahnsinn getrieben, ihm alle Geheimnisse
Weitere Kostenlose Bücher