Der Gast: Roman
Werk eines Sadisten aussehen zu lassen.
Die Einzelheiten hat er Glitt überlassen.
Neal bezweifelte, dass Vince überhaupt fähig war, sich solche Grausamkeiten vorzustellen, wie Glitt sie Elise angetan hatte.
Ich kann nicht da reingehen.
Aber ich muss.
Nicht sofort. Gleich. Wenn das Geld da drin ist, wird es in ein paar Minuten auch noch dort sein. Ich brauche nur ein bisschen Zeit …
Neal öffnete den Schlafzimmerschrank und ließ den Blick über die Fächer oberhalb der Kleiderstange schweifen. Keine Einkaufstüte. Er versuchte, die Sachen an den Kleiderbügeln zu ignorieren, denn er wollte nicht sehen, was Elise zu Lebzeiten getragen hatte. Es gab dort eine ganze Menge. Ohne hinzusehen wusste Neal, dass er Elise nie in einem der Kleider gesehen hatte.
Und auch nie sehen würde.
Vinces Kleidung nahm die andere Hälfte des Schranks ein. Neal interessierte sich nicht dafür.
Er ging in die Hocke und sah auf dem Boden des Schranks nach. Dort waren vor allem Schuhe und Stiefel aufgereiht.
Doch ganz hinten in der Ecke, fast verborgen durch ein Paar Cowboystiefel, stand etwas, das wie eine braune Einkaufstüte aussah.
Das kann nicht sein!
Neal ging hinüber, hockte sich hin, schob die Stiefel zur Seite und packte die Tüte am zusammengeknüllten Rand. Er zog sie zu sich. Sie schien zeimlich voll zu sein. Sie fühlte sich schwer an.
Sind da eine halbe Million Dollar drin?
Wohl kaum.
Die Tüte mit dem Geld war höchstwahrscheinlich in der Garage, eingeschlossen im Kofferraum von Vinces Wagen. Und Neal würde kaum in der Lage sein, den Kofferraum aufzubrechen. Er würde aufgegeben und Marta und Sue ein Zeichen geben müssen, dass es Zeit war, zu verschwinden …
Eine einzige Zeitverschwendung.
Er öffnete die Tüte, blickte in die dunkle Öffnung und sah Bündel von Geldscheinen.
JA, JA, JA! Das ist es! Wir sind reich!
Er knüllte die Tüte zu, hob sie auf und lief zur Glastür.
Draußen sah er Marta auf dem Sprungturm. Vince stand noch am Beckenrand, und Sue war noch im Wasser. Beide blickten zu Marta hinauf.
Marta stand ganz vorn auf dem Brett. Sie hatte die Hände auf die Hüften gestützt, beugte sich ein wenig vor und sah hinunter. Sie schüttelte den Kopf. Dann richtete sie sich auf und sagte etwas zu Vince.
Neal konnte kein Wort verstehen.
Sue lächelte zu ihr auf und entgegnete etwas. Auch Vince sprach. Neal sah, wie sich die Lippen bewegten, doch durch die geschlossene Glastür konnte er nur Gemurmel vernehmen.
Marta nickte. Sie trat ein paar Schritte zurück. Dann blieb sie stehen und nahm eine Habachtstellung ein, den Blick nach vorn gerichtet, die Schultern zurück, der Bauch eingezogen, die Arme an den Seiten angelegt, die Beine geschlossen. Sie atmete tief ein, marschierte nach vorn, sprang hoch und landete wieder auf dem Brett. Es federte zurück und schleuderte sie hoch. Sie landete erneut auf dem Brett, und es katapultierte sie höher hinaus.
Neal starrte sie an.
Hoch über dem Wasser, nackt bis auf ihren Lendenschurz, hüpfte sie auf dem Brett, als wäre es ein Trampolin. Ihre gebräunte Haut glänzte. Sie hatte die Arme zu den Seiten ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Ihre Knie knickten bei jeder Landung leicht ein. Die Brüste sprangen hoch, als schlüge ein unsichtbarer Boxer dagegen.
Vince und Sue blickten mit offenen Mündern zu ihr auf.
Neal fragte sich, ob sie noch andere Zuschauer hatte; sie befand sich oberhalb der Zäune und Büsche, die das Grundstück umgaben. Die Nachbarn könnten sie von ihren Pools, aus den Fenstern ihrer Häuser oder von der Straße sehen.
Sieh mal! Da oben am Himmel!
Warum springt sie nicht?, überlegte Neal.
Sie wird noch stürzen!
Vielleicht auch nicht, dachte Neal. Ihr Hüpfen wirkte nun weniger waghalsig. Sie flog nicht mehr mit jedem Sprung höher hinaus. Stattdessen hielt sie einen gleichmäßigen Rhythmus und eine konstante Höhe.
Fast, als wollte sie noch lange so weitermachen.
Bis sie weiß, dass ich in Sicherheit bin?
Sie hatte ihr Bikinioberteil ausgezogen, um Vinces Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie war auf den Sprungturm gestiegen, damit sein Blick an ihr haften blieb. Und jetzt hielt sie ihn am Beckenrand fest mit diesem Spektakel auf dem Brett, mit dem Versprechen eines Sprungs.
Sobald sie im Wasser landete, würde Vince ins Haus zurückkehren.
Ich muss zusehen, dass ich meinen Hintern hier rauskriege!
Neal hätte den Sprung zu gern gesehen.
Er beobachtete noch einen Hüpfer. Dann drückte er sich die
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