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Der Gast: Roman

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Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Tüte mit dem Geld an die Brust und lief zur Schlafzimmertür.

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    Ehe er die Diele durchquerte, blieb Neal stehen und spähte ins Gesellschaftszimmer. Niemand da. Hinter der Glasscheibe stand Vince am Pool.
    Klatschend!
    Neal rannte zur Haustür, riss sie auf, trat hinaus und schloss sie leise hinter sich. Er lief über den Weg zum offenen Tor. Die Straße war leer und voller Schatten. Er eilte zu Martas Jeep und stopfte die Papiertüte in den engen Stauraum hinter dem Rücksitz.
    Jetzt muss ich die Mädchen nur noch da rausholen.
    Die Hupe funktioniert nicht.
    Was soll ich tun, an der Tür klingeln?
    Warum nicht?
    Mit einem flauen Gefühl im Bauch lauschte Neal dem Läuten der Türglocke im Haus.
    Was, wenn er nicht aufmacht?
    Er wird öffnen, weil er befürchtet, dass es die Polizei sein könnte. Oder vielleicht hofft er auch, dass noch ein paar knackige Mädels kommen.
    Als Neal die Hand ausstreckte, um noch einmal zu klingeln, fragte Vince auf der anderen Seite der Tür: »Wer ist da?«
    »Ich komme, um Tracy und Katt abzuholen.«
    Kurz darauf öffnete sich die Tür. Aber nur so weit, dass Vince mit seinen Schultern den dunklen Spalt ausfüllte. Er sah Neal missbilligend an. Ein Handtuch, das er sich über den Unterarm gelegt hatte, hing wie ein zerknitterter Vorhang von seinem Bauch bis zu den Knien.
    »Erwarten sie Sie?« Vince sprach langsam, als bemühte er sich, nicht zu lallen oder sich zu verhaspeln.
    »Also«, sagte Neal, »ich habe sie vor einer Weile hier abgesetzt. Sie haben gesagt, ich solle in einer Stunde zurückkommen.«
    »Verstehe. Und wer sind Sie?«
    »Ken. Tracy ist meine kleine Schwester.«
    Vince versuchte zu lächeln, wirkte jedoch plötzlich angespannt. »Aha, verstehe. Sie sind ihr Bruder.«
    »Ja. Sie und Katt wollten mit Elise schwimmen. Sind Sie Mister Waters, Elises Mann?«
    »Ich bin Elises Mann«, sagte er. Doch er nannte weder seinen Namen noch bot er Neal die Hand an. »Leider ist sie und die andere – Tracy und wer?«
    »Katt.«
    »Ach so. Sie haben sie verpasst. Sie sind vorhin alle zum Essen weggegangen.«
    »Wirklich?«
    »Tut mir leid. Aber Sie können ja zu ihnen ins Restaurant gehen. Sie wollten ins …« Vince runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Irgend ein italienisches Restaurant. Mal überlegen.« Er kaute auf seiner Unterlippe. »Nein, ich komm einfach nicht drauf. Sie sind ganz spontan losgezogen. Tut mir leid, dass Sie sie verpasst haben.«
    Neal sah Vince verärgert an. »Aber sie wussten doch, dass ich in einer Stunde kommen würde. Ich kann einfach nicht glauben …«
    »Elise hat manchmal diese Launen. Dann macht sie sich mir nichts dir nichts aus dem Staub – und nimmt gerne mal ein paar ahnungslose Freundinnen mit. Nichts kann sie aufhalten. Aber egal – machen Sie sich keine Gedanken. Sie kommen hierher zurück … spätestens um Mitternacht.«
    »Um Mitternacht?«
    »Sobald sie wieder da sind, sage ich Elise, dass sie die Mädels nach Hause fahren soll. Oder ich bringe sie selbst. Wie finden Sie das?«
    »Nicht so gut. Wir hatten heute Abend noch was vor. Sind Sie sicher, dass sie nicht da sind?«
    »Ich bin hundertprozentig sicher, dass sie nicht hier sind. Sie sind Essen gegangen. Vielleicht bei André? Versuchen Sie es mal bei André.«
    »Sagen Sie ihnen einfach, dass ich hier bin, ja?«
    »Das ist wohl kaum möglich. Und ich verbitte mir die Unterstellung, ich würde die Unwahrheit sagen. Wiedersehen.« Er wollte die Tür schließen.
    Neal rammte sie auf. Vince schrie auf und stolperte zurück. Im Fallen streckte er die Arme aus. Das Handtuch fiel herunter. Einen Augenblick lang sah er aus wie ein Limbotänzer, der sich unter der Stange durchschlängeln will. Dann klatschte sein nackter Rücken auf den Marmorboden. Er stöhnte auf.
    Neal warf die Tür zu. Während er zu Vince lief, zog er die Pistole aus der Tasche. Er bückte sich und stieß ihm den Lauf hart zwischen die Brustwarzen.
    »Kein Wort«, befahl er.
    »Bitte, tun Sie mir nichts.«
    »Das waren schon fünf.«
    Er riss die Pistole nach oben. Der Lauf traf Vince unter dem Kinn. Seine Zähne schlugen aufeinander. Sein Kopf war wohl etwas angehoben gewesen, denn der Schädel schlug mit einem dumpfen Pochen auf den Boden. Seine Augen traten hervor. Dann schloss er sie. Sein ganzes verschwitztes rotes Gesicht legte sich vor Schmerz in Falten. Aus dem Riss an seiner Kinnspitze quoll Blut.
    Als er hörte, wie eine Tür aufgeschoben wurde, sah Neal auf. Sue beugte sich ins Haus.

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