Der Gast: Roman
immer du bist – ich hoffe, im Himmel, wenn es ihn denn gibt – mögest du heute Nacht mit einem Lächeln zu uns herabblicken.« Mit zitternder Stimme fügte er hinzu: »Ich hätte dich retten können. Ich habe zugelassen, dass sie dich getötet haben, aber … wir werden sie dafür bezahlen lassen …« Er schluckte mühsam. »Sie werden einen hohen Preis für das bezahlen, was sie dir angetan haben.«
»Einen sehr hohen«, murmelte Sue.
Marta nickte. »Einen sehr hohen.«
»Das ist die erste Rate«, sagte Neal. »Dieses Mal haben sie mit Geld bezahlt. Die nächste Rate wird Rot sein.«
»Darauf kannst du einen lassen«, sagte Sue.
Neal streckte den Arm aus. Als er sein Glas über den Geldhaufen hielt, stießen Marta und Sue mit ihm an. Salzkrümel lösten sich und rieselten auf die Scheine.
»Das ist wirklich ein Haufen Geld«, sagte Sue.
Neal nickte und hielt Marta sein Glas hin. Sie schenkte ihm aus dem Mixer nach.
»Fünfhunderttausend Dollar«, sagte Marta und ging zur Küche.
»Ich frage mich, ob es komplett ist«, sagte Neal.
»Sollen wir es zählen?«, fragte Marta über die Schulter.
Sue sah den Haufen Scheine kritisch an. »Dafür würden wir bis Weihnachten brauchen.«
Neal stellte sein Glas ab und nahm eines der Bündel. Es war fast drei Zentimeter dick. Mit dem Daumen blätterte er durch die Scheine. »Alles Zwanziger.« Er warf das Bündel zurück auf den Haufen und nahm ein anderes. »Fünfziger.«
Sue inspizierte ebenfalls ein Bündel. »Das hier sind nur Zehner.«
»Glitt muss eine Stückelung verlangt haben, die man unauffällig ausgeben kann.«
Sue wühlte in dem Haufen, als suchte sie einen einzelnen Socken in einer Ladung Wäsche. »Es gibt auch viele Hunderter«, sagte sie nach einer Weile.
Marta kam mit einer Schale Tortillachips und einer Schüssel mit Salsa zurück ins Wohnzimmer. »Habt ihr es schon gezählt?«
»War der Weihnachtsmann schon da?«, fragte Sue.
Marta stellte das Essen am Ende des Tischs ab. »Ich sehe auch keinen Grund, warum wir es unbedingt zählen müssten. Wenn es wirklich Glitts Lohn ist …« Sie sah Neal an und zog die Brauen hoch.
»Das muss es eigentlich sein.«
»Warum bist du dir so sicher?«
»Ich habe in Vinces Kopf Glitts Gesicht gesehen.« Er ging durchs Zimmer, holte sich einen Stuhl und kam damit zurück zum Tisch. »Das war ganz am Anfang, als ihr an der Bar wart und Vince die Drinks gemixt hat. Er hatte gerade erzählt, dass Elise ermordet wurde.« Neal setzte sich an das Tischende, an dem das Essen stand. »Eine von euch … Sue … hat gefragt, wer sie umgebracht hat. Als er gesagt hat, er wüsste es nicht, ist in seinem Geist ein Bild von Glitt aufgetaucht.«
»Fantastisch«, sagte Marta. Sie tauchte einen Chip in die Salsa, steckte ihn in den Mund und reichte Sue die Schüssel.
Sue nahm sich eine Handvoll heraus.
»Salsa?«, fragte Marta.
Sue schüttelte den Kopf. »Wie hast du das Geld gefunden?«, fragte sie Neal.
»Der Film, nach dem du ihn gefragt hast.«
»Ha! Das hab ich mir gedacht!«
»Die eine Million Dollar auf dem Parkplatz. Chuck Norris.«
Sue strahlte.
»Das war eine tolle Idee«, sagte Marta zu ihr. »Und so subtil!«
Sue kniff die Augen zusammen und nickte. »Habt ihr gemerkt, dass ich eine ganze Million daraus gemacht hab? Raffiniert, was? Ich wollte nicht, dass er Verdacht schöpft.«
Neal und Marta brachen in Gelächter aus. Sue schien ziemlich zufrieden mit sich zu sein. Sie trank einen Schluck von ihrem Margarita, hob die Hand mit den Chips an den Mund und nahm mit den Zähnen einen herunter. Kauend sah sie ihnen beim Lachen zu. »Ihr könnt mich einfach Genie nennen«, sagte sie dann.
»Was war das überhaupt für ein Film?«, fragte Marta nach einer Weile.
»Den hab ich mir nur ausgedacht.«
»Das dachte ich mir schon.«
»Es hat jedenfalls gut geklappt«, sagte Neal. »Er hat angefangen, an die Geldübergabe zu denken.« Er wandte sich an Marta. »Weißt du, was im Kopf von Leuten vorgeht, wenn sie an etwas denken? Es ist wie ein Film.«
»Klar«, sagte Marta. »Tagträume und so.«
»Genau. Also, ich habe Folgendes gesehen: Er hat auf dem Parkplatz von Video City angehalten und eine Einkaufstüte aus dem Wagen geholt. Er wollte sie für Glitt dort deponieren.« Neal nickte in Richtung des Geldhaufens auf dem Tisch. »Deshalb habe ich in seinem Haus nach der Tüte gesucht.«
»War sie im Safe?«, fragte Sue.
»Er hat keinen Safe.«
»Was?« Sie sah ihn an, als wäre sie betrogen worden.
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